Artist Ausgabe Nr. 91

Portraits

Jan Peter Hammer | Yuji Takeoka | Joachim Grommek | John Smith | Yael Bartana

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Knut Eckstein

Edition

Joachim Grommek

Polemik

Textauszug

»Die 7. Berlin Biennale – Pro«
Bei solch einer willfähigen Bedienung des neoliberalen und globalisierten Kunstsystems spielt die 7. Berlin Biennale bewusst nicht mit. Kurator Artur Zmijewski und seine Co-Kuratoren Joanna Warza und das russische Künstlerkollektiv Voina fordern mit ihrer Konzeption stattdessen wieder die soziale Funktion der Kunst ein, die diese seit ihrer Emanzipation im Rahmen der modernen Avantgarde von einer eitlen l’art pour l’art unterscheidet. Artur Zmijewski formuliert es so: »Lasst die Kunst Lösungen für den sozialen und politischen Bereich anbieten! Ich möchte, dass die nächste Biennale Antworten liefert, dass sie künstlerische Sprachen und Strategien benutzt, um für gemeinsame Ziele zu kämpfen«. Ohne der Kantschen Formel des »interesselosen Wohlempfindens« zu folgen, setzten die Kuratoren der Berlin Biennale also auf einen (lokalen) »Art-Aktivismus«, der ein unbequemes und engagiertes Einmischen in brennende politische Fragen praktiziert, der auf alternatives Wissen baut und der seine Anliegen formuliert ohne komplizierte und nur Eingeweihten verständliche Grammatiken zu nutzen, Grammatiken, die sich selbstgenügsam und realitätsfern vor allem auf symbolische künstlerische Sprachen verlassen. Nicht um eine bourgeoise »Fabrikation der Fiktionen« (Carl Einstein) also ist das Kuratorenteam bemüht, sondern um das konkrete Schaffen neuer politischer Realitäten. Noch einmal Artur Smijeweski: »Ich möchte, dass die Ausstellung zu einem politischen Raum wird, der mehr einem Parlament ähnelt als einem Museum«.

An der Tatsache, dass zwei so unterschiedliche Ausstellungen wie »Made in Germany zwei« und die 7. Berlin Biennale nahezu gleichzeitig und nur etwa 90 Bundesbahn-Minuten entfernt stattfinden, ist vor allem eines ablesbar: Die Polarisierung innerhalb des Kunstbetriebes, die schon in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass die Schnittmenge von Galerienkunst und solcher, die in engagierten Großausstellungen zu sehen ist, immer kleiner wird, spitzt sich offensichtlich zu. Und diese Polarisierung ereignet sich vor allem deshalb, weil die Galerienkunst sich standhaft weigert ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Plakativ ließe es sich so formulieren: Im glamourösen Bermudadreieck von Dubai, Moskau und Los Angeles sich marktkonform durchsetzen zu wollen ist eben etwas anderes als angesichts neoliberaler Globalisierung inklusive fortschreitender Klimakatastrophe dezidiert politische Haltung in den künstlerischen Diskurs einzubringen.

Raimar Stange