Artist Ausgabe Nr. 91

Portraits

Jan Peter Hammer | Yuji Takeoka | Joachim Grommek | John Smith | Yael Bartana

Page

Knut Eckstein

Edition

Joachim Grommek

Portrait

Spezifische Räume, 1989, Holz, lackiert, 28 Kataloge, 180 x 219 x 45,5 cm. Standing Sculpture I, 1989, Messing, poliert, 170 x 17 x 17 cm. Ohne Titel, 1989, Glasvitrine, Kupfer, patiniert, 46 x 81 x 81 cm. Alle Arbeiten © VG Bild-Kunst, Bonn 2012

Textauszug

Yuji Takeoka
Der Bildhauer Yuji Takeoka thematisiert die Fundamente und den Kern seines künstlerischen Mediums. Damit steht er nicht allein. Die formale Strenge und gedankliche Schlüssigkeit, in der er Basisarbeit betreibt, verdient allerdings besondere Beachtung. Das Bremer Gerhard-Marcks-Haus richtet dem in Düsseldorf lebenden und seit 1995 in Bremen lehrenden Japaner derzeit eine konzentrierte Retrospektive aus. Damit dokumentiert das Haus auch sein weit gespanntes Selbstverständnis: Direktor Arie Hartog rückt Positionen in den Blick, die jenseits historischer Fronten von Abstraktion und Figuration die Präsenz und Präsentation des Plastischen in originärer Weise untersuchen. Dass Yuji Takeoka dereinst die gegenständliche »Bremer Bildhauerschule« in der Hochschullehre ablöste, passt in das Konzept. »Zum Nullpunkt der Bildhauerei« ist die Schau ihrem fundamentalen Anspruch gemäß betitelt. »Nullpunkt« meint nicht nur die Sockel, mit denen Takeoka in den 80er Jahren seine bildhauerischen Grundlagenstudien beginnt. »Null« kennzeichnet auch jene Leere, die der japanische Künstler im Freiräumen der Ausstellungsplattformen eröffnet. Eine Leere, die über radikale Reduktion hinausgeht und die auch mehr ist als die bloße Abwesenheit des konventionell Exponierten.

Zentrales Instrument der Kontrolle plastischer Inhalte ist das Material. In Erinnerung an seinen Tokyo-Auftritt demonstriert Takeoka die Wirkungen unterschiedlicher Stoffe. Silikon, vergoldetes Messing, Kunststein - neben Anspielungen auf Sockel oder minimalistische Wandobjekte nimmt der Künstler hier die Oberflächenbehandlung sowie den künstlerischen Rang und ästhetischen Wert des Materials ins Visier. Das Material wird als Träger von Inhalten, die Oberfläche als exponierte Schnittstelle zwischen Objekt und Betrachter ins Bewusstsein gerückt.

Marcks-Haus-Kuratorin Yvette Deseyve sieht in Takeokas skulpturalen Einheiten von Schriftstücken und Museumsmöbeln einen Dreischritt, den sie mit der Raumtheorie von Henri Lefebvre in Verbindung bringt: Ein tatsächlicher Raum (Regal, Vitrine) wird von einem gedanklichen überblendet (Kataloge, Zeitschriften). Beides geht in einem »gelebten« und »erlebten« Raum auf, den sich der Betrachter anzueignen sucht. Hier entfalten die Objekte in Korrespondenz mit dem Rezipienten ihren Symbol- und Repräsentationscharakter. Mit den eigens für das Gerhard-Marcks-Haus geschaffenen und auf das Museum direkt reagierenden Arbeiten im fünften Raum präsentiert Takeoka eine neue Verweisstrategie. Er räumt nicht für Besinnungsräume auf und aus, sondern greift physisch in die Architektur ein. Ein Objekt hängt nicht an der Wand, sondern ragt aus einer Wandöffnung heraus. An anderer Stelle ist ein Stück Putz entfernt und mit einer Glashaube bedeckt. Hier geht es an die rohe Schale des Hauses und damit an die Grundfragen nach den Inhalten von Sammeln, Bewahren und Ausstellen. Eine Absperrung mit vergoldeten Pfosten hebt vermeintlich sichere Grenzstreifen auf.

Rainer Beßling