vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 55

Portraits

Reto Boller | Natascha Borowsky | Stefan Banz | Valie Export | Jonathan Monk | Martin Kippenberger

Interview

Ariane Grigoteit

Page

Gabriele Rothemann

Künstlerbeilage

Rolf Bier

Polemik

Textauszug

»Der Trend geht zum Zweittrend«
Trends sind in erster Linie durch zwei Merkmale gekennzeichnet. Zum einen ist das ihre bereits erwähnte, begrenzte zeitliche Gültigkeit und darüber hinaus aber auch vor allem ihre freie Verfügbarkeit, will heißen die uneingeschränkten Verwendungsmöglichkeiten durch jeden, der es eben gerne auf die von ihm/ihr als »trendy« zu proklamieren beabsichtigte gesellschaftliche, ökonomische und/oder kulturelle Erscheinung angewendet sehen möchte.

Trends sind eine Art Vorboten von Moden, die dann wiederum in einem nächsten Schritt im allgemein durchgesetzten und von einer breiten Masse akzeptierten Mainstream münden. Trends und denen, die sie zu kreieren in der Lage sind, haftet also etwas seherisches, vorausblickendes oder antizipierendes an. Der- oder diejenige, der/die Trends frühzeitig erkennt, hat zunächst einmal nichts davon, wenn er oder sie nicht die Möglichkeit hat, diese »Entdeckung« entsprechend zu artikulieren. Denn nur dann ist gewährleistet, daß diese im Erfolgsfall wiederum auf ihn/sie zurückfallen und seine/ihre »Leistung« als solche entsprechend gewürdigt werden können. Das gleiche gilt natürlich auch für eine ökonomische Verwertung. Nur wer die entsprechenden Möglichkeiten hinsichtlich einer Vermarktung des frühzeitig Erkannten hat, kann davon wirtschaftlich profitieren, andernfalls bleibt ihm/ihr - wenn überhaupt - nur Ruhm und Ehre.
Im Kunstbetrieb gibt es nun ebenfalls nur diese zwei Optionen: Ruhm und Ehre oder Kohle. Eigentlich gibt es aber noch eine dritte: Ruhm und Ehre und Kohle, das wäre dann die Königsdisziplin. Ökonomisch verwerten bzw. abschöpfen können im Kunstbetrieb nur zwei: Galerien und SammlerInnen.

Uninspiriert geführte Institutionen entdecken den Trend ebenfalls für sich und schwuppdiwupp haben wir mal wieder einen wenig aufregenden, um nicht zu sagen ausgesprochen langweiligen Mainstream. Und währenddessen basteln die Kuratoren und Kuratorinnen im stillen Kämmerlein bereits schon wieder eifrig am nächsten Trend, auf den sich dann alle auch wieder in blinder Verzückung stürzen. Und täglich grüßt das Murmeltier...

Jan Winkelmann