Artist Ausgabe Nr. 105

Portraits

Dan Perjovschi | Michael Krebber | Walker Evans | Julius von Bismarck | Daniel G. Andújar

Interview

Wolfgang Ullrich

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Annika Kahrs

Polemik

Roland Schappert (IN SEARCH OF A SUBJECT HOWEVER IT GOES ASTRAY), Ölfarbe, Pigment und Vinylfarbe auf Leinwand, 90 x 150 cm, Foto: Simon Vogel, © R. Schappert

Textauszug

»Kunst als Fremdsprache vs. die neue Normalität«
Schön wäre es. Aber wir wissen es besser. Manchmal bevor wir es gesehen oder erfahren haben. Das Neue versteckt sich nicht – Normalität auch nicht. Kunst generiert viele Formen, schreibt sich unscheinbar, laut oder glamourös im Gedächtnis und in Gedanken fest. Rezipienten formen Kunst in Sprache – oder spricht die Kunst selbst? Sprechen wir dieselbe Sprache, verstehen wir die schönen Künste, die wir meinen zu erfassen? Wer spricht wessen Sprache? Schön wäre es, wenn wir zugeben könnten, dass wir eben nicht dasselbe sehen, aufnehmen, verstehen und in Sprache formen. Wir ziehen auch nicht dieselben Klamotten an, wundern uns aber oder regen uns auf, wenn eine oder einer anders daher kommt, als wir es von ihr oder ihm gewohnt sind. Warum können wir das Besondere in der Kunst nicht erkennen, die Sprache des Anderen nicht exklusiv erfahren und uns behutsam annähern – unbekannte Codes und Vokabeln sowie ungeübte Grammatik wie Fremdsprachen erlernen?

Nelson Goodman (»Sprachen der Kunst«, 1968) hat in den 1960er Jahren eingehend untersucht, wie sich Kunstwerke mit visuellen Mitteln und sprachlicher Vermittlung beispielsweise durch Symbolisierungen auf Gegenstände und Sachverhalte beziehen. Er erkannte, dass es keinen unschuldigen Blick geben kann. Was das Auge sieht, wird längst »durch Bedürfnis und Vorurteil reguliert«. Das interessegeleitete und »parteiische Auge« deutet schon darauf hin, dass sich auch kein »Inhalt mehr freilegen« lässt, indem man »Kommentarschichten abschält«. Goodman verdeutlichte die Zeitgebundenheit von Repräsentationssystemen
und untersuchte ihre Konstruktionsweisen. Den Prüfstein für jeden Realismus erkannte er nicht in der »Qualität der Information, sondern in der Leichtigkeit, mit der sie fließt«. BITTE KEINEN AUSDRUCK MEHR VON KUNST ALS FREMDSPRACHE. MACHT EINDRUCK MIT LEICHTIGKEIT UND VERSTÄNDLICHER KUNST. PROFITIERT VON DER NEUEN NORMALITÄT.

Roland Schappert