Artist Ausgabe Nr. 105

Portraits

Dan Perjovschi | Michael Krebber | Walker Evans | Julius von Bismarck | Daniel G. Andújar

Interview

Wolfgang Ullrich

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Annika Kahrs

Portrait

/MK/M 2014/01, 2014, Acryl auf Leinwand, 120 x 160 cm, Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Cologne

Textauszug

Michael Krebber
Allzu viel ist auf den Bildern nicht zu sehen. Michael Krebber blieb seinem Ruf treu, als er aus Anlass der Verleihung des Wolfgang-Hahn-Preises 2015 im Museum Ludwig Malerei als sparsame Geste präsentierte. Leinwände mit sehr viel leerer, weißer Fläche, wahlweise mit einem wie beiläufig angewehten silbrigen Fetzen aus einem stark an Sigmar Polke erinnernden Siebdruck-Raster bzw. kräftigen, mit einer Rakel à la Gerhard Richter senkrecht und waagerecht ausgezogenen Farbschlieren versehen. Askese in den Mitteln, Zurückhaltung in der Ausformulierung einer eigenen Handschrift sorgen immer wieder für einen Eindruck des »fadeout«, als ob sich erst die Malerei und dann die Leinwände selber nach und nach zurückzögen von der Bildfläche. Natürlich ist das auch schon ein Markenzeichen, und trotz aller Bemühungen, sich hinter den Kollegen zu verstecken, lassen sich Michael Krebbers Werke zuverlässig als »typisch Krebber« identifizieren, auch wenn sie sich wie in diesem Fall Ausstellung und Preis mit R.H. Quaytman und ihren auffallend ähnlichen Arbeiten teilen müssen.

2008 folgt »Pubertät in der Lehre«, die wichtige Ausstellung im Kölnischen Kunstverein, in der unter anderem zersägte Surfboards als »Puberty in Sculpture« angeboten werden. Die Auseinandersetzung mit Adoleszenz in Kunst und Lehre kreist sowohl um die Fragen und Vorstellungen der nachfolgenden Künstlergeneration als auch um die eigene Beziehung zu den Künstler-Vätern. 2010 stürzt Krebber in der Ausstellung »Miami City Ballet« bei Buchholz in Berlin seinen Mentor Kippenberger symbolisch vom Sockel. Seine Neonschriften mit dem Schriftzug »Die Hundejahre sind vorbei« verweisen auf die Gruppenausstellung »Broken Neons« von 1987, bei der sowohl er als auch Martin Kippenberger beteiligt waren. Das Thema Pubertät ist zwar von nun an vom Tisch, dafür erscheinen 2012 mit der retrospektiv angelegten Schau »Les escargots ridiculisés« im CAPC, dem Musée d´art Contemporain in Bordeaux »lächerliche Schnecken« auf dem Plan. Michael Krebber entzieht sich nach Kräften einer allzu eindimensional strukturierten Vereinnahmung. Sein skrupulöser und häufig als Witz getarnter Umgang mit dem Werk fordert eine ebenso vorsichtige und auf Fallen und Trugschlüsse gefasste Annäherung des Betrachters. Wenn es aber tatsächlich nur um eine »rhetorische Debatte über die andauernde Relevanz der Malerei« ginge, bei der »Titel und Arrangements ebenso wie der Umgang mit dem Raum, dem Katalog und der Präsentation« einbezogen sind(5), welche Rolle spielen dann die Werke selbst?

Betrachten wir noch einmal die Bilder aus der Ausstellung zum Wolfgang-Hahn-Preis. Was wir an ihnen erleben ist eine sinnliche Form des Ringens zwischen Lehrer und Schüler, zwischen vorausgehender und nachfolgender Generation. Ohne die scharfsinnige Analyse beider Seiten, der jüngeren Malerei- und Kulturgeschichte wie der nach vorne gerichteten Gegenwart wäre dieser Dialog nicht in solch radikaler Zuspitzung denkbar. Die rigorose formale Lösung zielt auf ein Platz-schaffen-für-Zukünftiges, ohne dass die Spuren des Vergangenen ganz verschwinden. Als hochgradig ästhetische, von jedem Inhalt befreite Artefakte halten diese Bilder die Spannung zwischen dem Gewesenen und dem sich gerade Anbahnenden in einer sehr subtilen Balance. Sie sind bereit für das was kommt.

Sabine Elsa Müller