Artist Ausgabe Nr. 105

Portraits

Dan Perjovschi | Michael Krebber | Walker Evans | Julius von Bismarck | Daniel G. Andújar

Interview

Wolfgang Ullrich

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Annika Kahrs

Portrait

Ausstellungsansicht, 2008, Galerija Gregor Podnar, Berlin, © the artist, Courtesy Galerija Gregor Podnar

Textauszug

Dan Perjovschi
Vernetzt. Es gibt Künstler, sie sind wohl immer noch in der Mehrheit, die meiden Facebook. Und es gibt Künstler, die nutzen das »soziale Netzwerk« intensiv. Zu letzteren zählen z. B. meine Facebook-Freunde Martha Rosler, die Berliner Konzept-Malerin Antje Majewski und der Rumäne Dan Perjovschi. Alle drei nun vereint nicht nur ein dezidiert politischer Ansatz in ihrer Kunst, sondern auch der engagierte Anspruch, diese Kunst nicht nur in den für sie vermeintlich angestammten Orten wie Museum, Galerie oder Kunsthalle zu zeigen: Sie wollen ihre Arbeiten auch außerhalb dieser hehren Tempel, die ja immer noch vor allem von den »better educated people« besucht werden, zur Diskussion stellen, also »down to earth« im öffentlichen Raum und in den (virtuellen) Medien, die in diesem aufzufinden sind. Diese überaus reflektierte Konzeption ist nicht zuletzt begründet in einer Vorstellung von Demokratie, die sich eben nicht begnügt mit mehr oder weniger geistreicher Diskurse intellektueller oder politischer Eliten, sondern auf eine Form von Auseinandersetzung setzt in der, wie die französische Soziologin Chantal Mouffe in ihrer Schrift »Über das Politische – Wider die kosmopolitische Illusion« (2005) treffend schreibt, „politische Fragen nicht nur technische Probleme sind, die von Experten zu lösen“ sind. Stattdessen fordert Chantal Mouffe vehement eine alle Gesellschaftsschichten durchdringende Politisierung. Politisierung »aber kann es nicht ohne konfliktvolle Darstellung der Welt mit gegnerischen Lagern geben, mit denen sich die Menschen identifizieren können; einer Darstellung der Welt, die die politische Mobilisierung von Leidenschaften innerhalb des demokratischen Prozesses zulässt« (Mouffe).


Geschichte(n). Eine Kunst wie die von Dan Perjovschi, eine Kunst also, die weder über besondere handwerkliche Virtuosität noch über den Anspruch auf »zeitlose« Gültigkeit, kaum also über autonome Schönheit verfügt, die stattdessen auf politische Brisanz und zeitgeschichtliche Relevanz pocht, die wird im real-existierenden Kunstbetrieb gerne marginalisiert. Dieses gilt auch für die Arbeit von Dan Perjovschi, die derzeit zwar weltweit oft ausgestellt wird, dabei aber meist als gleichsam »schlechtes Gewissen« instrumentalisiert wird, etwa nach dem Motto: Stelle ich Perjovschi aus, dann ist meine Ausstellung ja schon politisch genug, künstlerischen Aktivismus, der gänzlich auf bildnerische Visualisierung verzichtet, brauche ich also nicht mehr in meinem kuratorischen Konzept zu berücksichtigen. Es gilt daher diese Kunst von zwei Seiten aus zu beschützen: Zum einen muss klargemacht werden, dass Dan Perjovschis »Denkbilder« durchaus »erstrangige« Kunst sind und als solche in einer Geschichte stehen, die vielleicht mit George Grosz beginnt, später von den Comics der Internationalen Situationisten ebenso fortgeschrieben wird wie von Joseph Beuys Tafelbildern, von den Spraybildern Harald Naegelis, den Collagen von Klaus Staeck und heute etwa von der Kunst eines Nedko Solakow. Zum anderen ist darauf zu beharren, dass Dan Perjovschis Kunst nicht zuletzt zu verstehen ist als Teil seines globalen künstlerischen Aktivismus, so ist es z. B. kein Zufall, dass Dan Perjovschi der einzige Künstler war, der 2011 auf dem Camp der Stuttgart-21-Gegner eine ständige Präsentation beisteuerte. Und dass die besagte exzessive Nutzung von Facebook von ihm ein Teil seines künstlerischen Aktivismus darstellt.

Angekreidet. Im sogenannten »öffentlichen Raum« bringt Dan Perjovschi seine »Denkbilder« meist mit Kreide auf die Straße und an die Häuserwände. Diese Wahl des fragilen Mediums leistet vielerlei, so werden z. B. an Häuserwänden insofern keine Eigentumsrechte verletzt, als dass der nächste oder übernächste Regen die Zeichnungen und Wörter entfernen wird, Sachschaden oder teure Übermalungen, wie sie bei Graffitis nötig zu sein scheinen, fallen hier nicht an. Zudem betont diese Flüchtigkeit des Mediums den zeitbasierten Charakter dieser (tages)politischen Kunst, aber auch seine Ortsbezogenheit, lassen sich doch die auf die Straßen und Häuserwände (an)gekreideten Zeichnungen nicht einfach von A nach B transportieren. Letztere Unmöglichkeit ist auch durch eine schleichende »Dematerialisierung des Art-Objektes« (Lucy R. Lippard) begründet, die eben nicht nur den Transport, sondern auch das merkantile Handeln dieser Arbeiten verhindert – statt auf einen Werkcharakter setzt der Künstler nun mal in erster Linie auf eine Wirksamkeit, die sich Denkprozessen verdankt, nicht wirtschaftlichen Profiten.