vergriffen

Portrait

13Ball, 2008, aus der Serie Trona - Armpit of America, C-Print, 84 x 56 cm, © Tobias Zielony, Courtesy of Tobias Zielony and KOW, Berlin

Textauszug

Tobias Zielony
Der Künstler fotografiert seit über 10 Jahren Gruppen der Jugendkultur an den urbanen und sozialen Rändern unserer heutigen Welt, in denen die Strukturen moderner Wohlfahrtstaaten nicht mehr greifen und Phänomene wie Gangbildung, städtischer Verfall und Drogensucht aufkeimen. Zielonys Serien stammen aus allen Teilen der Welt, von Großbritannien über Europa bis in die USA und Kanada. Die Protagonisten seiner Serien sind die Jugendlichen von Bristol in »Curfew« (engl.: Ausgangsperre), die jungen Bewohner in der verarmten Wüstenstadt »Trona«, in der die Droge Crystal Meth das Leben prägt, oder Mitglieder indigener Gangs in den kanadischen Reservaten von »Manitoba« (2009–2011).

Zielonys Porträts überzeugen durch starke Ausschnitte und direkte Blicke des Fotografen auf seine Motive und durch die Blicke, die von den Porträtierten zurückgeworfen werden und darin auch den Menschen in seinen Empfindungen zugänglich machen. Zugleich gehören zu Zielonys Serien immer auch Fotografien, welche andere Motive integrieren: die Architektur der Häuserblocks von »Vele« in der gleichnamigen Serie, für die Zielony Jugendliche im einstigen Avantgarde-Wohnkomplex und der heutigen der Camorra-Hochburg in Neapel (2009–2010) porträtierte oder Alltägliches in Form der Wellenausläufer des nächtlichen Ozeans am Strand von Venice für die Serie »The Cast« (2007) über Jugendliche im nächtlichen Los Angeles. Seine Serien fungieren als visuelle Collagen und reduzieren narrative Dramaturgien. Dabei verleihen der gekonnte Einsatz von Licht und der dokumentarische Charakter Zielonys Fotografien dennoch eine filmische Qualität, wobei die Fotografie als Medium der Spur für das Festhalten jugendlicher Identitätsentwürfe fast schon determiniert scheint.

Zielony setzt die Stilmittel des Ausschnitts und der Perspektive für seine Fotografien ein, fokussiert oder erweitert den Horizont. Er zeigt Details und nicht das Ganze oder bildet die komplette Szenerie aus der Ferne ab ohne Details explizit zu machen. In seiner Photoanimation nun entfallen durch Unterbrechungen des Bilderflusses auch Teile des zeitlichen Ablaufs. Zielony verdichtet, destilliert so und schafft darin für seine Figuren den geschützten Raum, den sie brauchen. Denn in Zielonys Bild(aus)schnitten können die jungen Männer und Frauen ihre Selbstbilder frei entwerfen, sich in Gruppen als Verbündete und einzeln als verlassene Cowboys oder laszive Verführerinnen darstellen. Sie werden als Individuen sichtbar und übernehmen zugleich mediale Codes der Gang, des Malboro-Cowboys oder der Kindfrau für die Konstruktion der eigenen Bildidentitäten. Zielony hält die Identitätsentwürfe fest und schenkt ihnen Sichtbarkeit über die nihilistischen Orte ihrer jeweiligen Welten hinaus. Denn in Zielonys Bildern werden diese visuellen Codes zu endlos nachhallenden Botschaften, die als globalisierte Narrative soziale und nationale Grenzen überwinden und heute sowie hier und da Zentren und Peripherien in eins fallen lassen. (Ausstellung: Tobias Zielony, Jenny Jenny, Berlinische Galerie, 21.06.– 30.09.2013)

Katharina Schlüter