Portrait

A complicated relationship between heaven and earth or when we believe, 2014, Stahl, Holz, hölzerne Ziegenfigur, Ziegenhaar, Papier und Metall / Steel, wood, wooden goat figure, goat hair, paper and metal, Installationsmaß variabel / Dimensions variable, © Theaster Gates, Foto / Photo: © White Cube (Ben Westoby), © Courtesy of The Johnson Publishing Company, Ausstellung: Black Madonna, Sprengel Museum Hannover

Textauszug

Theaster Gates
Ein Ausstellungsprojekt – vier beteiligte Institutionen in drei Ländern, dazu Kooperationen mit Künstlern, Musikern, Wissenschaftlern, Architekten und sogar einer Pfarrerin aus dem Basler Münster. Black Madonna, das äußerst facettenreiche und multimediale Ausstellungsprojekt, mit dem der 1973 in Chicago geborene US-Künstler Theaster Gates vom Frühjahr 2018 bis in den Winter 2019 im Kunstmuseum Basel, dem Sprengel Museum Hannover, der Fondazione Prada in Mailand und dem Münchner Haus der Kunst zu Gast ist, gliedert sich letztlich in vier autonome Ausstellungen, die jedoch alle unter derselben Überschrift stattfinden und sich inhaltlich und formal zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Ein 400-seitiges Künstlerbuch sowie ein Katalog ergänzen das Projekt.

Im Fokus von Theaster Gates‘ im Englischen gelegentlich als »Social Practice Installation Art« bezeichneten Kunstpraxis stehen sowohl Recherche und Erforschung materieller, politisch-gesellschaftlicher, religiös-spiritueller oder ästhetischer Phänomene, als auch ein von aktivierenden, mitunter auch aktivistischen Elementen getragener Transformationsgedanke, der sich in Theaster Gates‘ enger Kooperation mit den unterschiedlichsten Communities manifestiert. Kunst, politisches Engagement und soziale Praxis stellen für ihn keine Gegensätze dar. Zentral ist immer der Dialog mit dem Publikum, der häufig durch partizipatorische oder performative Elemente hergestellt wird. In Deutschland bekannt geworden ist Theaster Gates insbesondere durch seine Teilnahme an der documenta 13 im Jahre 2012. Unter seiner Anleitung transformierten Arbeitslose aus Kassel und Chicago das 1826 erbaute und zuletzt leerstehende »Hugenottenhaus« in ein bewohnbares und funktionierendes Labor, das während der Laufzeit der documenta nicht nur als Ausstellungsort, sondern auch als Bühne, Speisesaal und Diskussionsplattform diente.

Das kunsthistorisch ambivalente Phänomen der »Schwarzen Madonna« ist zudem von Portugal über Polen bis nach Russland überall in Europa nachweisbar. Die schwarze Färbung der Haut wurde lange Zeit auf Rußablagerungen, die von Kerzen oder Petroleumlampen stammen, zurückgeführt. Bei Skulpturen erklärte man sie durch die Verwendung dunkler Hölzer. Seit dem frühen 20. Jahrhundert hat sich jedoch unter progressiven Kulturwissenschaftlern auch eine andere Lesart durchgesetzt, die von der bewussten Darstellung der Madonna als Angehörige einer ethnischen Gruppe mit schwarzer Hautfarbe ausgeht. Unter dieser Prämisse ist die Verehrung der Black Madonna als Ikone der Black-Power-Bewegung im 20. Jahrhundert leicht nachvollziehbar.

Eine ehemalige katholische Schule ganz in der Nähe seines Studios wird er als Nächstes in einen kulturellen Ort umwandeln. Ausstellungsprojekte wie Black Madonna künden von seinem vielseitigen Engagement auch in Europa. Und er sieht, wie er jetzt dem Londoner Guardian verriet, durchaus Anlass zur Hoffnung auf eine Änderung der Machtverhältnisse: »Vielleicht«, so sagt er, »bietet die Komplexität der #MeToo-Debatte, die Tatsache, dass Frauen ihre Rechte geltend machen und sich artikulieren, die Chance, dass es mit der männerdominierten Welt, wie wir sie gewohnt waren, zu Ende geht, und dass damit auch die weiße Vorherrschaft fällt.«

Nicole Büsing / Heiko Klaas