Portrait

Ausstellungsansicht »Ohne Funktion - Utopie«, KM, Berlin, 2014, Courtesy KM, Berlin, Foto: Simon Vogel

Textauszug

Tillmann Terbuyken
Tillmann Terbuykens zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Ungeduld und Langsamkeit changierenden Werke ruhen auch biographisch auf zwei Säulen. Erst an der eher schulisch organisierten, auf handwerkliches Können ausgerichteten Academie Beeldende Kunsten in Maastricht ausgebildet, kam er dann in eine eher selbstbestimmte Situation an der Hamburger Hochschule für bildende Künste. Im Austausch mit den Kollegen im »Bildhauerpavillon« entwickelte er seine Kunst im Umfeld von Bogomir Ecker, Pia Stadtbäumer, Nicola Torke und Franz-Erhard Walther.

In der Kunst von Tillmann Terbuyken geht es nicht um schnell aufgepeppte Brauchbarkeit, aber auch nicht um traditionell handwerkliche Perfektion, die er in der Akademie in Maastricht durchaus gelernt hat. Seine Inszenierungen halten die Mitte zwischen Präzision und Improvisation, zwischen großen Gesten und kleinen Verweisen. Die Betrachter werden durch das meist etwas provisorisch wirkende Werk ins Freie geführt, vielleicht gar, wie es in der Literatur bei Alice im Wunderland vorkommt, in unbekannte Regionen hinter den Farben und Möbeln, Spiegeln und Mauselöchern. Tillmann Terbuyken hat in solchem Sinne Objekte gebaut, die sich ausdrücklich als zweckfreie Gebrauchsobjekte ausgeben, als nutzlose Schränke, aber wie genau bestimmt sich Nutzen im Reich künstlerischer Produktion? Vielleicht braucht es gar die Phantasie der Science-Fiction – Tillmann Terbuyken schätzt diese sehr – um in einem großen Objekt, das wie ein riesiges Schlüsselloch ausschaut, ein raumzeitliches Portal zu sehen, eine ins universelle gewandte Triumphbogen-Phantasie, die einen Durchgang zu einem Wurmloch öffnet und in ganz andere Dimensionen führt? Derartige popkulturelle Anknüpfungen erweitern die Möglichkeiten der In-Beziehung-Setzung. Nicht weniger merkwürdig wurde Tillmann Terbuyken tatsächlich vom schlüssellochförmigen Grundriss einer der größten Grabanlagen der Welt angeregt, dem Daisenryo Kofun des japanischen Kaisers Nintoku bei Sakai in der Präfektur Osaka – auch das sicherlich eine Manifestation einer Übergangssituation.

Man muss also die erzählerischen Fragmente in der Kunst von Tillmann Terbuyken ernst nehmen und die armen Materialien mit theatralischen Geschichten auffüllen, sonst bleiben sie bloß Form-Zitate. In diesem Sinne könnte von vielen seiner Arbeiten gesagt werden, sie seien Bühnenbildskulpturen. Bühnen im mehrfachen Sinne: Wandernde Elemente aus dem Eigenfundus des Künstlers finden in der jeweiligen Präsentation einen ortsspezifischen Auftritt. Mitunter reicht es, mit einem kleinen Koffer voller Material zum Ausstellungsaufbau anzureisen. Der Auftritt der vor Ort angepassten Dinge ist dann nicht nur ein spezielles, neue Blickachsen schaffendes Raumtheater, sondern bietet dem Publikum diverse Möglichkeiten der gedanklichen und physischen Stellungnahme. Schon durch bloßen Wechsel des Standpunkts ist der aufgebauten Situation im Changieren von Fläche und Volumen eine Vielzahl von Bildern abzugewinnen.

Hajo Schiff