Portrait

Shila Khatami, Need for Speed, 2015, Metallschutzlack auf verzinktem Stahl, 342 x 300 und 513 x 300 cm, Courtesy the artist & Galerie Samy Abraham, Paris, Foto: Roman März, Berlin

Textauszug

Khatami / Lorent / von Schroeter
Malerei heute reflektiert ihre Geschichte und hat die Möglichkeit, frei mit ihr umzugehen, um sie weiterentwickeln zu können«, so beschreibt die junge Berliner Malerin Shila Khatami die kontextuellen Rahmenbedingungen ihres künstlerischen Schaffens, das das Genre Malerei im Dialog von Kunstgeschichte und Popkultur so sinnlich wie kritisch reflektiert. Die so abgesteckten Rahmenbedingungen sind derzeit, wie ich hier an dem sich entwickelndem Werk dreier junger Künstlerinnen zeigen möchte, prägend für weite Teile aktueller Malerei. Shila Khatamis Malerei reflektiert zunächst die Malerei der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts, genauer: konstruktivistische Tendenzen aus dieser Epoche. Monochrome Farbflächen, diagonal durch das Bild verlaufende Balken, und kreisrunde Formen etwa sind immer wieder auf ihren auf den ersten Blick abstrakten Bildern zu finden.

Catherine Lorents Bilder scheinen auf den ersten Blick nicht viel mit ihrer Kollegin Khatami gemeinsam zu haben, allzu weit entfernt davon mutet diese vermeintlich trashige, mal gegenständliche, mal abstrakte Malerei an. Doch wieder täuscht der erste Blick, denn die in Berlin lebende Luxemburgerin, die 2013 den Luxemburgischen Länderpavillon auf der Venedig Biennale bespielt hat, setzt sich in ihrer Kunst ebenfalls bewusst in das Spannungsfeld von Kunstgeschichte und (profan-poppiger) Gegenwart. Zudem entwickelt sie das Vokabular der modernen Malerei dadurch weiter, dass sie dieses mit objekthaften Formulierungen ergänzt.

In einer neueren Arbeitsserie setzt Catherine Lorent sich mit dem Phänomen des sogenannten Kitsches auseinander, über das bekanntlich schon Theodor W. Adorno einmal schrieb, dass es sich zumindest durch seine Gefühlsintensität auszeichne. In dieser Werkgruppe nämlich arbeitet sich die Künstlerin an dem altehrwürdigen, aber längst oftmals zu »Kalenderblattkunst« verkommenden Genre der »Seeschlachten« ab. Zu kentern drohende Viermaster hat sie dort, diesmal quasi in einem Hybrid aus beiläufigem und expressivem Stil, gemalt, einsame Buchten mit einem Rettungsbrot, ein brennendes Schiff… Diese dramatischen »Sehstücke« halten konsequent die Balance von Dilettantismus und Könnerschaft, von humoresker Parodie und tragischem Pathos und spielen dabei mit Gefühlen wie romantischer Abenteuersehnsucht, verträumtem Fernweh und sentimentaler Kriegsverherrlichung. Vor allem aber holen diese oftmals kleinformatigen Gemälde mit ihren klischeehaften Sujets ihr Genre aus der Mottenkiste zurück in einen aktuellen Diskurs über das Zeitgemäße aktueller Malerei. Und fragen dabei klammheimlich sowohl nach der »Zielgruppe« von autonomer Kunst wie nach dem Maß an technischer Vollendung, die diese Kunst scheinbar immer noch zu behaupten hat, um vom (Galerien)Betrieb ernst genommen zu werden.

Anders als Shila Khatami und Catharine Lorent aber setzt Stefanie von Schroeter in ihrer Kunst sehr wohl auf so etwas wie eine fast schon »klassische« künstlerische Könnerschaft. Betrachten wir also ihr großformatiges Bild »Burn, Baby Burn 3« (2015), dann fällt zudem die von der Künstlerin bewusst gewählte Nähe zu expressiv-abstrakten Malstilen aus den 1950er Jahren ins Auge. Mal überaus expressiv aufgeladene, mal eher poetisch-sensibel anmutende Pinselstriche fügen sich da zu einer abstrakten Komposition, die vor Energie zu bersten scheint. Dieser »Erweiterung im Spektrum der Abstraktion«, wie Martin Henschel über diese Malerei schrieb, kontert nun die Künstlerin mit einer »Wiederkehr der Außenwelt« (Lazlo Gloser), und zwar dadurch, dass sie bevor sie zu Malen beginnt, Objekte auf die Leinwand fixiert hat, Objekte, wie etwa handelsübliche Siebe aus Plastik. Die Leinwand und die Siebe werden dann von ihr in einem Arbeitsschritt bemalt, also als vollkommen gleichwertige Farbträger behandelt. Anschließend traktiert von Schroeter das »informelle« Halbrelief gezielt mit Feuer, in die Leinwand und in die Siebe werden also partiell Löcher gebrannt.

Raimar Stange