vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 99

Portraits

Asco | Pierre Huyghe | Yevgenia Belorusets | Tobias Rehberger | Ulla von Brandenburg

Interview

Moritz Wesseler

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Uschi Huber

Portrait

Ausstellungsansicht: Tobias Rehberger. Home and Away and Outside, © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2014, Foto: Norbert Miguletz

Textauszug

Tobias Rehberger
»Was du liebst, bringt dich auch zum Weinen« sorgte 2009 bei der 53. Biennale von Venedig für Furore und brachte Tobias Rehberger (geb. 1966 in Esslingen) den begehrten Goldenen Löwen. Naheliegend also, dass die als längst überfällig angekündigte Ausstellung in der Schirn Kunsthalle in seiner Wahl-Heimat Frankfurt an jene Biennalearbeit anknüpft. Ihr ist der erste Raum einer Inszenierung in drei Kapiteln gewidmet, deren zweiter Teil Arbeiten von 1994 - 2010 in einer Art begehbarem Display Revue passieren lässt. Aber die retrospektiv angelegte Schau zündet nicht. Von den spektakulären Auftritten, wie man es von Rehberger gewohnt ist, bleibt kaum mehr als eine gut gemeinte, reichlich laue Hommage eines verdienten Künstlers. Daran ändert auch die eigens für die Ausstellung neu geschaffene Skulptur in der Rotunde, dem dritten Austragungsort, nichts.

Vielleicht ist diese irrlichternde Position, die den Mythos von der künstlerischen Identität und eines genialisch für sich stehenden Werkes immer wieder mit unerwarteten, vor Witz und Ironie sprühenden Einfällen ins Wanken brachte, mit der Idee einer Retrospektive wenig kompatibel. Die für Rehberger so zentrale Thematisierung des Kontexts und der kaum zu überschätzenden Bedeutung des Ortes wird im Titel »Home and Away and Outside« angesprochen – aber nicht in der Ausstellung selbst diskutiert. Sie setzt allzu sehr auf Wiedererkennung. Die Begegnung mit den »dazzle paintings« im ersten Raum erinnert an die optische Überflutung der Biennalearbeit, ohne dass die ausgefeilten Camouflagetechniken die Grenzen des Kunstraums sprengen. Es ist alles da: die »handicapped sculptures« mit ihren eingebauten Fehlern, die sie absichtlich defekt oder unfertig aussehen lassen, die zerbrochenen Spiegel und die runden, abstrakten Gemälde, die gleichzeitig wie Kuckucksuhren funktionieren. Aber da der Raum nicht wie in Venedig, wo er gleichzeitig als Cafeteria diente, den Bereich des »absichtlosen Künstlerischen« übertritt, bleibt alles seltsam bühnenhaft. Die Irritationen in den Details werden anstandslos als Formen des Künstlerischen akzeptiert. Für Besucherinnen und Besucher besteht keine Gefahr, sich zwischen Kunst und Wirklichkeit zu verlieren.

Die im akademischen Weiß der Ausstellungslandschaft des zweiten Teils platzierten Exponate setzen unmittelbar nach dem von 1987 – 1993 bei Bayrle und Kippenberger absolvierten Studium an der Frankfurter Städelschule an. Einige seiner Schlüsselwerke sind in dieser Zeit entstanden, wie die Kamerun- und Documenta-Stühle, die Doppelbetten, die nach Entwürfen mit ihm bekannter Frauen gebaut wurden, oder die berühmten Vasen-Portraits. Rehberger und die Städelschule – das ist eine Erfolgsgeschichte gegenseitiger Verbundenheit.

Der dritte Teil der Frankfurter Retrospektive knüpft an die Schatten-Thematik an, die 2008 im Zentrum der umfangreichen »the-chicken-and-egg-no-problem wall painting« Ausstellung in Amsterdam und Köln stand.

Tobias Rehberger glaubt nicht an die Existenz einer l´art pour l´art. Kunst funktioniert bei ihm als Seismograph, der aufzeigt, wie die Dinge beobachtet werden und wie und unter welchen Umständen sie zustande kommen.

Sabine Elsa Müller