Portrait

Mühlenbild, Laserdruck und Bootslack auf MDF, 130 x 90 cm, seit 2009, Courtesy Galerie für Gegenwartskunst, Barbara Claassen-Schmal, Bremen

Textauszug

Manfred Holtfrerich
Seltsam wie immer, die Bildobjekte von Manfred Holtfrerich. Vielleicht würde das schon reichen als Besprechung: seltsam. Denn ich glaube, dass es Holtfrerich um nichts anderes geht, als mit künstlerischen Mitteln etwas in die Welt zu bringen, was es zuvor noch nicht gab und was daher seltsam anmutet. Nein, falsch. Was es zuvor schon gab, was aber in einem so disparaten Verhältnis zu unserer Welterfahrung steht, dass es einem vorkommt, als habe man so etwas noch nie gesehen.

Dabei ist es folgerichtig, dass Holtfrerich mit eher gängigen Motiven arbeitet. Hier sind es Mühlen sowie Frauen in Trachten, slowenische Frauen, jeweils gerahmt in Plexiglasblöcken im Format 50 mal 40 Zentimeter. Die Bildobjekte mit den Mühlen treten einmal sehr warm, nämlich rot-orange in Erscheinung, und einmal kalt in blaugrün. Die Abbildungen der slowenischen Trachtenmädchen gehen auf Buchseiten aus alten Fotobänden zurück, die Holtfrerich eingefärbt und damit merkwürdig verfremdet hat.

Nein, schon wieder falsch. Verfremdet scheint einem mitteleuropäischen Städtebewohner des 21. Jahrhunderts in seiner ganz und gar rationalisierten Welt schon die Frau in der Tracht. Keine Ahnung, was die einzelnen Elemente der Tracht zu bedeuten haben; auch keine Idee, in welchem Kulturkontext man die Abbildung zu »lesen« hat.

Es ist also schon fremd, was man da sieht, die künstlerische Bearbeitung akzentuiert diese Fremdheit allenfalls, bringt sich aber nicht hervor. Was für die Mühlen ebenso gilt. Im Zeitalter von Energiewende und mit Windrädern verspargelten Landschaften wirkt die hölzerne Bockwindmühle museal, ein nostalgisches Relikt aus einer Zeit, die sich von heute aus betrachtet am ehesten wie ein längst verlorenes Wunschholland ausnimmt. Schön war’s mit den Windmühlen, unschön dagegen heute mit den Windrädern. Fährt man über Land und sieht in irgendwo noch so eine alte Windmühle, entweder musealisiert oder zu Wohnzwecken umgebaut, freut man sich. Sieht man die Windräder, stellt sich eher ein Gefühl der Bedrückung ein. Erneuerbare Energien, ja, schon richtig, aber, äh, überall diese Dinger?

Es könnte sein, dass die Seltsamkeit der Arbeiten von Manfred Holtfrerich genau daraus resultiert, dass es ihm gelingt, Dinge zu schaffen, die einem auf unheimliche Weise vertraut sind. Man erlebt ein Gefühl der Vertrautheit und Fremdheit zugleich, und das macht diese Arbeiten auf eine Weise faszinierend und eindrücklich.

Harald Welzer