Portrait

Invalidenstraße, Museion 2013, exhibition view, Courtesy Galerie Neu, Berlin/ Reena Spaulings, NY/ the artist, Foto: Othmar Seehauser

Textauszug

Klara Lidén
Mit ihrem Werk, neben den Videofilmen und Performances, Diareihen und Fotostills, Installationen und Objekte, hat die junge, 1979 in Stockholm geborene Klara Lidén, tatsächlich eine fabelhafte Karriere hingelegt. Sie hat in Stockholm und Berlin Kunst und Architektur studiert und bereits während ihres Studiums ausgestellt. Ihre Werke wurden auf den Biennalen in Berlin, Sydney und Venedig gezeigt. Zu den Höhepunkten ihrer Karrieren zählen Einzelschauen im Museum of Modern Art und im New Museum in New York, im Pariser Jeu de Paume, in Moderna Museet in Stockholm, in der Kunsthalle Zürich und in der Londoner Serpentine Gallery. Gegenwärtig stellt die Künstlerin, die von der Berliner Galerie Neu und der New Yorker Galerie Reena Spaulings Fine Art vertreten wird, im Bozener Museion aus. Klara Lidén lebt abwechselnd in Berlin und New York. Und die Stadt ist es auch, die ihr primär Anregungen für ihre Arbeiten liefert – thematisch und stofflich. Dort findet sie das Material, Plastik und Karton, Röhren und Leitungen, Papier und Eisen, aus denen sie ihre Installationen und Objekte fertigt. Das Ausgesonderte und Weggeworfene erwacht in ihrer Kunst zu neuem Leben.

Mit dieser Form artistischen Recyclings stellt sie sich in eine lange und große Tradition der Moderne. Aber auch was nicht niet- und nagelfest ist, wird von ihr abmontiert, angeeignet und in den Kunstkontext überführt wie die Serie ihrer »Trashcans«, für die sie auf der Biennale in Venedig 2011 mit einer lobenden Erwähnung ausgezeichnet wurde. Diese Mülleimer verbinden eigentlich Unvereinbares. Zum einen erinnern sie in witziger Weise an die Module der Minimal Art, zum anderen sind sie eminent erzählend und dokumentieren eine Soziografie der Stadt. Neuerdings müssen Mülleimer zum Schutz gegen Terrorakte und Attentate in vielen Städten bereits aus durchsichtigem Material sein. In einem Foto aus dem Jahre 2005, stellt sich Lidén mit einem weit geschnittenen und weit geöffneten Mantel vor. In seiner Innenseite sind Halterungen für Werkzeuge eingenäht. Wir sehen Bolzenschneider, Kombizange, Taschenlampe, Vierkantschlüssel und Brecheisen. Ein Selbstbildnis der jungen Künstlerin als Diebin. Titel des Werks: »Self Portrait with the Keys to the City«.

Im Museion Bozen sind es 50 übereinander gestapelte Türen, deren ambivalenter Charakter in der Installation sichtbar wird. Betritt der Besucher den Ausstellungsraum im vierten Stock, versperren sie ihm nicht nur die Sicht auf die ausgestellten Exponate, sondern verstellen ihm auch den Zugang – englisch: doorway – zu ihnen. Der Titel des Werks wandelt den doorway spielerisch ab zu »Yourway« (2012) und macht so deutlich, dass es Lidén in ihren Werken nie allein um Architektur geht. Sondern die Verkehrung eines offenen, einladenden in einen abweisenden, sich verschließenden Eingangsbereichs ist natürlich in erster Linie als Symbol zu verstehen. Dass es gilt, sich als Besucher der Kunst zu öffnen, wie hermetisch sie auch immer erscheinen mag. Bertolt Brecht hat dafür die fabelhafte Empfehlung gefunden, »vor der Kunst sollte jeder zu seinem eigenen Columbus werden.« Eine Art Gegenstück dazu ist die im und für das Museion Bozen entstandene Installation »Autostrada Café« (2013). Lidéns Skulpturenreihe aus Holz und Asphalt nimmt Maß am Stadtbild und an der transparenten Fassadenarchitektur des Museums. Indem sie in diesem Werk die Stadtstraße bis in den Museumsraum hinein führt, macht sie ihren Willen deutlich, die beiden miteinander in Kontakt zu bringen. Und lässt einmal mehr keinen Zweifel daran, dass ihre Kunst auf den Menschen zielt und nicht auf den Elfenbeinturm.

Zurück zum Anfang und damit zu den Videowerken der Künstlerin! Sie gehören zu ihren eindrucksvollsten Arbeiten. Mit ihnen verbinden sich immer auch Performances und darüber hinaus Diaserien und Videostills, die sie aus ihnen gewinnt. In »550 Jamaica Avenue« (2004) bricht die Künstlerin in ein verlassenes Apartment in Brooklyn ein. Sie entledigt sich ihres Oberteils, erforscht den Raum, übt auf einem Hometrainer, spielt Klavier und bleibt doch eine Fremde im fremden Heim. In »Bodies of Society« (2006) demoliert sie, mit einer Eisenstange bewaffnet, ebenso kalt wie methodisch ihr Fahrrad. Erst spielt sie mit ihm, dann macht sie Ernst. Wie ein Mantra wiederholt sie dabei »I don´t want to talk about it.« Eine ambivalente Demontage zwischen Selbstzerstörung und Kraftgewinn. In »Ohyra«(2007) sehen wir sie in ihrer Küche. Sie trägt einen Boxerhelm und ein weißes Unterhemd. Während sie raucht, versucht sie vergeblich, zufrieden stellend den Abwasch zu erledigen. Sie schlägt nach der Kamera und gegen ihren Kopf und steigert sich in einen Exzess der Selbstanklage: »So fucking bad at washing the dishes properly … Haven’t visited Grandma in so fucking long … Think about her too much of the fucking time … and I can’t even fucking clean, just sleep around way too much lately and get drunk.« Niemand bleibt unberührt, der ihr dabei zuschaut.

Michael Stoeber