Artist Ausgabe Nr. 95

Portraits

Ulrich Pester | Wolfgang Tillmans | Tomás Saraceno | Eva Kotátková

Interview

Gregor Jansen

Page

Roland Schappert

Edition

Julia Schmid

Portrait

Goodbye Old Paint, 2013, Öl auf Holz, 40x50cm, Courtesy Thomas Rehbein Galerie, Köln, Privatsammlung Nürnberg

Textauszug

Ulrich Pester
Kleine Bilder zielen gemeinhin nicht auf schnellen Zugriff. Im Gegenteil, ihre konzentrierte Form erfordert eine gewisse Intimität sowohl bei der Herstellung wie bei der Betrachtung. Ulrich Pester (geboren 1980 in Hannover) ist ein Freund solch kleiner Formate mit Seitenlängen von etwa zwanzig bis sechzig Zentimetern. Er wechselt von Bild zu Bild zwischen Hoch- und Querformat, verschiedenen Maßen und Proportionen. Und dann erst die Malerei: Von abstrakt bis figurativ, lasierend bis pastos, zeichnerisch konstruktiv bis gestisch ist alles dabei. Eine Präsentation mehrerer Bilder ist deshalb immer auch eine räumliche Installation. Jede einzelne Tafel bringt ihr ganz eigenes spezifisches »Gewicht« mit, die ihre Position auf der Wand bestimmt, etwas tiefer oder höher, mit viel oder eher wenig Abstand zum Nachbarn. Es sind nunmal keine Werkgruppen oder Reihen, die hier ausgestellt werden, sondern temporäre Versuchsanordnungen unterschiedlichster Individuen. Und wie im richtigen Leben gibt es auch hier Verbündete, die gut zueinander passen, aber auch regelrechte Rivalen, die sich besser nicht in die Quere kommen sollten.

»Good Bye Old Paint« nennt Pester die Anfang 2013 von der Kunsthalle Nürnberg im Rahmen des Marianne-Defet-Malerei-Stipendiums für ihn ausgerichtete Ausstellung. Ulrich Pester ist nach Gerda Scheepers und Isabell Fein der dritte Künstler, der das 2011 gegründete Marianne-Defet-Malerei-Stipendium in Nürnberg erhalten hat, das von der Marianne und Hans Friedrich Defet Stiftung und der da Vinci Künstlerpinselfabrik Defet GmbH getragen wird. Das Stipendium ist mit einem fünfmonatigen Arbeitsaufenthalt sowie einer Ausstellung und der begleitenden Dokumentation verbunden. »Good Bye Old Paint« ist auch der Titel einer der jüngsten dort gezeigten Arbeiten: Eine 40 × 50 cm große Tafel, auf der sich etwa in der Mitte einige Pinselspuren abzeichnen. Den Blickfang aber bildet ein täuschend echt gemalter Pinsel, der so daliegt, als ob die gestischen Pinselschwünge eben erst mit ihm ausgeführt worden seien. Während die blau-weiß strukturierte Fläche samt Pinselspur durch Abschleifen einer früheren Malschicht entstand, also nicht gemalt ist, sondern sich zufällig herausgebildet hat, handelt es sich bei dem so realistisch wirkenden Pinsel um reine Illusion. Der Abschied von der »alten Malerei« schüttelt die Zuordnungen von Wirklichkeit und Illusion gründlich durcheinander.

Sabine Elsa Müller