Artist Ausgabe Nr. 88

Portraits

Katarina Seda | Franziska C. Metzger | Fabrice Samyn | Rosemarie Trockel | Stefan Wissel

Page

Zilla Leutenegger

Künstlerbeilage

Dirk Dietrich Hennig

Portrait

Ceci est, 2008, Golden brass, metal, 20 x 20 x 2 cm, Courtesy Sies + Höke, Düsseldorf, Meessen de Clercq, Bruxeles, Foto: Ph. De Gobert

Textauszug

Fabrice Samyn
Der belgische Künstler Fabrice Samyn (geb. 1981 in Brüssel) widmet sich grundlegenden philosophischen Themen wie Zeit und Raum, Ewigkeit und Vergänglichkeit, dem Gegenwärtigen und Vergangenen, Existierenden und Nichts. Aber er behandelt die Fragen nicht theoretisch oder rein konzeptuell, sondern lässt sie in Gestalt origineller, sinnlich ästhetischer Bilder vor unseren Augen erstehen. Dabei findet jede Reflexion das ihr angemessene Medium, sei es Malerei, Foto oder Skulptur. Insbesondere nimmt Samyn die Stadien des Übergangs von einem Aggregatzustand in einen anderen ins Visier, und diese Phänomene und ihre Transformationen schlagen sich in den jeweils gewählten künstlerischen Mitteln nieder, d.h. an ihnen vollziehen sich diese Wandlungen unmittelbar. Dies ist umso erstaunlicher, als es häufig um Prozesse der Auflösung geht und umgekehrt um die Frage, wie man das nicht Sichtbare, nicht Existierende darstellen und seiner habhaft werden kann.

In »Ceci est« von 2008 steigt eine golden leuchtende Flamme aus einer flachen Messingschale empor, die auf einer schmalen, in Augenhöhe an der Wand angebrachten Konsole ruht. Die feine Flamme entpuppt sich allerdings als wundersame Erscheinung, entstanden als Reflexion der von einem Deckenstrahler punktuell beleuchteten Schale. Auf einer solchen Patene wird in der Eucharistiefeier der Katholiken die Hostie, Symbol des Leibes Christi, gereicht. Samyn entweiht das Kultobjekt keinesfalls, wenn er es als ready-made nutzt, sondern fügt dem religiösen Mysterium gleichsam noch ein physikalisches Phänomen hinzu. Auch anderweitig verwendet Samyn Motive der christlichen Ikonographie; die Religion gehört ebenso zu seinem Fundus, zu einer Quelle seiner Inspirationen wie auch die Geschichte und ganz besonders die Kunstgeschichte, welcher er verblüffende Facetten entlockt und konstruktiv zu verändertem Leben verhilft.

Renate Puvogel