Artist Ausgabe Nr. 78

Portraits

Anna Meyer | Diango Hernández | Jake und Dino Chapman | Sebastian Gräfe | Omer Fast

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Antje Schiffers

Polemik

Hajo Schiff

Künstlerbeilage

Ralf Tekaat

Portrait

Wolke, verschiedene Orte, 2003, Banner (2000 x 600 cm), Sportflugzeug, Courtesy Galerie Lena Brüning, Berlin

Textauszug

Sebastian Gräfe
Es klingt nach dem Idealfall künstlerischer Ausbildung. Noch vor Ablauf seines Studiums hatte Sebastian Gräfe sein Konzept geklärt. In den Abschlussarbeiten sind die Grundelemente seiner Arbeit angelegt.

Ein Flugzeug zieht eine Wolke über den Stadthimmel. Der öffentliche Raum ist ausgedehnt bespielt, der Blick des Rezipienten in spielerischer Schlichtheit auf gewöhnlich übersehene Phänomene gerichtet. Die minimalistische Geste überdeckt den erheblichen Aufwand. Die Wendung der unspektakulären Naturerscheinung zum poetischen Eingriff in den Alltag kommt ohne das Pathos abstrahierender Ent- und Verschlüsselung aus. Die humorvolle Pointe, in der die Assoziation zu einem Werbebanner mitschwingt, bricht die Gefahr eines naturaufklärerischen Fingerzeigs.

Staunend den Blick heben und den Wolken folgen - wenn die romantische Erkundungshaltung und das Ich-Erleben in der Natureinheit von urbanem Einerlei überlagert wird, muss das Standardvehikel der fortgeschrittenen Mobilgesellschaft eben die wolkige Wirklichkeit vor den Horizont des Betrachters holen. Traditionell besetzt die Wolke in der Kunst den Ort, an dem sich Gedanke und Materie mischen, wo sich Erfahrung und Projektion begegnen. Sebastian Gräfe bringt das Motiv von der Leinwand an ihren Ursprungsort zurück, ersetzt das Malmaterial durch die Maschine, die Fixierung im Bild durch die Flüchtigkeit des visuellen Erlebnisses.

Rainer Beßling