Artist Ausgabe Nr. 130

Portraits

Ulla von Brandenburg | Renée Green | Alexander Steig | Harald Popp

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Anna Meyer

Essay

Stefanie von Schroeter, Lufthansa Bouquet, 2020, Öl,Tusche und Lack auf Metall, Polyester und bedrucktem Karton, 45 x 35 x 23 cm, Courtesy the artist

Textauszug

WIE GRÜN IST DER KUNSTBETRIEB
Exceeding 2 Grad Celsius« heißt die Arbeit von Tue Greenfort und nomen est omen: Anlässlich der 8. Sharjah Biennale »Still Life: Art, Ecology and the Politics of Change« hat der dänische Künstler während der gesamten Laufzeit der Biennale die Raumtemperatur im Sharjah Art Museum um 2 Grad erhöht, indem er die Klimaanlage gedrosselt hat. Dadurch konnte nachhaltig der Energieverbrauch der Klimaanlage des Museums in den Arabischen Emiraten reduziert werden. Das dadurch eingesparte Geld wurde nach der Biennale von dem Künstler gespendet der Umweltschutzorganisation Nepenthes, die sich um den Erhalt von dem in seiner Existenz bedrohten Regenwald in Ecuador engagiert. Diese wegweisende Arbeit Tue Greenforts stammt aus dem Jahr 2004 – gut 15 Jahre später aber macht die von ihm mit »Exceeding 2 Grad Celsius« geleistete, konkret und wirksam eingreifende Intervention erst insofern Schule, als jetzt über die Notwendigkeit eines »Green New Deals« im Kunstbetrieb diskutiert wird, ein offener Brief an die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters in dem Kunstmagazin Monopol hatte die Diskussion im deutschsprachigen Raum damals angeregt.

Genau solchen Fragen nach den Modalitäten heutiger Kunstarbeit und ihrer ökologischen Verantwortung stellt sich auch die vor der Tür stehende 15. documenta in Kassel. In offiziellen Verlautbarungen ist bereits zu lesen, dass diese immer noch weltweit wichtigste Kunstausstellung auf drei zentralen Konzeptsäulen stehen wird: Nachhaltigkeit, Ressourcenteilung und Aktivismus. So sollen zum Beispiel ressourcenschonende, vollelektrische Autos den Besuchern zur Verfügung stehenund recyclebare Materialien genutzt werden, wo immer das, etwa bei Geschirr und Mobiliar, möglich ist. Und auch die dort wohl zu sehende Kunst – Stichwort: Aktivismus – soll verzichten auf aufwendige Materialschlachten, setzt vielmehr auf kollektiv erbrachte Projekte und Aktionen. Dass in der inzwischen in einem Straßenmagazin publizierten Künstlerliste kaum »professionelle« Künstler und Künstler-innen vertreten sind, sondern vor allem diverse Künstlerkollektive, lässt zudem hoffen, dass sich eine Politisierung auf der documenta ereignen wird, die kritisch die Unfähigkeit der Politik reflektieren wird, auf den Klimawandel adäquat zu reagieren.

Die hier von mir aufgeführten Beispiele künstlerischer Arbeiten und Aktivitäten, die sich ökologisch engagiert verhalten, täuschen darüber hinweg, dass der Klimawandel immer noch kein zentrales Thema im Kunstbetrieb ist.

Raimar Stange