vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 50

Portraits

Gary Hill | Peter Pommerer | Ralf Berger | Trixi Groiss | Claudia Medeiros Cardoso

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Stefan Wissel

Ausstellungen

»Archisculptures«

Künstlerbeilage

Sonja Alhäuser

Edition

Manfred Pernice

Ausstellung

Textauszug

»Archisculptures«
Im Zentrum der Hannoveraner Ausstellung steht der Begriff des Modells als »Schnittstelle zwischen funktionsloser Autonomie und dem Vorgriff auf reine Zweckgebundenheit« (Berg). Sein Ausstellungskonzept geht von der Beobachtung aus, daß der tradierte Modellbegriff durch eine neue Qualität wenn nicht abgelöst, so zumindest ergänzt wird. Die sieben in »Archisculptures« gezeigten künstlerischen Positionen repräsentieren für Berg »eine Haltung, die aus der Verbindung von architektonischen und skulpturalen Elementen mit einer modellhaft anmutenden Praxis eine spezifische Form des Modells gewinnt, die sich bereits als Endstufe, als abgeschlossenes Werk begreift«. Der klassische sowohl im wissenschaftlichen als auch im allgemeinen Sprachgebrauch verankerte Modellbegriff geht von der Konnotation eines Musters, Vorimagees oder Entwurfs aus und definiert das Modell als ein Objekt oder Zeichensystem, welches von einem Subjekt auf der Grundlage einer wie auch immer gearteten Analogie zu einem Original zwecks Veranschaulichung, Erklärung oder Überprüfung einer Hypothese eingesetzt wird. Hingegen zeichnet sich an der von der Ausstellung beanspruchten Schnittstelle von Architektur, Skulptur und Modell in den letzten Jahren eine Entwicklung ab, die, ausgehend und inspiriert von architektonischem Vokabular, künstlerische Endprodukte schafft - Modelle zwar - jedoch ohne Vorimagecharakter. Was diese neue Qualität des Modells oder besser des sich selbst genügenden »Meta-Modells« (Berg) auszeichnet, sind die durch den traditionellen Terminus nur mehr unzureichend erfaßten theoretisch- substantiellen Fragestellungen, die eine derartige ästhetische Strategie unterfüttern.

Mit Jürgen Albrecht, Achim Bitter, Rita McBride, Manfred Pernice, Alexandra Ranner, Daniel Roth und Johannes Spehr greift Berg bei seiner Auswahl auf die überwiegend in den 60er Jahren geborene Generation zurück, deren Sozialisation also geprägt ist von einer allmählichen Auflösung des Modernebegriffs zu Gunsten der Beliebigkeiten der Postmoderne und - in deren Nachfolge - zu Gunsten einer auch heute noch virulenten, neuen Unübersichtlichkeit. Eine »kritische Revision des Programms der Moderne« (Berg) dürfte also eine der Grundlagen ihrer künstlerischen Produktion darstellen.

Wer von dem eher frei assoziativ geprägten Ausstellungsparcours eindeutige Aussagen über die ins Auge gefaßte Schnittstelle erwartet haben sollte, dürfte enttäuscht sein. Alle diejenigen aber, die bereit sind, unsere Zeit als kaum mehr vom Einzelnen erfaßbares, fragmentiertes Labyrinth der Stile, Bedeutungen, Virtualisierungen, Imaginationen und Phantas- magorien zu lesen und diese Verwirrung auch zuzulassen, dürfte »Archisculptures« als gelungene Diagnose gegenwärtiger Befindlich- keiten, aufgezeigt am Modellfall Architektur, in guter Erinnerung behalten. Ganz neu jedoch sind solcherlei Erkenntnisse auch wieder nicht, erkannte doch der französische Philosoph Gaston Bachelard bereits in seiner 1957 erschienen »Poetik des Raumes«, »daß das Haus für die Gedanken, Erinnerungen und Träume des Menschen eine der großen Integrationsmächte ist«.

Nicole Büsing / Heiko Klaas