Artist Ausgabe Nr. 117

Portraits

David Moses | Erika Hock | Roman Signer | Stefanie Klingemann

Interview

Janneke de Vries

Page

Almut Linde

Edition

Erika Hock

Portrait

33LL001M0305 (Silly Symphonies), 2017, Pastellkreide und farbige Tusche auf Papier, 122 x 150 cm, Foto: Ann Bertram

Textauszug

David Moses
Der junge Berliner Künstler David Moses nun zeichnet ebenfalls Bewegungsstudien im Kontext des Mediums Film und gleichsam auf der anderen Seite der filmenden Kamera. Und doch drehen David Moses Bewegungsbilder das Haesaertsche-Prinzip konsequent und produktiv um, bei ihm ist es nicht die eigene körperliche Malbewegung, die ins Bild gesetzt wird, sondern bereits gefilmte Bewegungen werden von Moses gewissermaßen nachgemalt, besser: konkret und mental zugleich nachvollzogen – klugerweise ohne dabei den vermessenen Anspruch zu erheben, so kreative Prozesse zu visualisieren, die dem von ihm bearbeiteten Film zugrunde liegen.

Seit 2017 nimmt David Moses, wie eingangs bereits angedeutet, Filme aus der Walt Disney Cartoon Serie »Silly Symphonies« als Ausgangspunkt für seine Bewegungsbilder mit eben demselben Titel »Silly Symphonies«. Walt Disneys Serie wurde von 1929 bis 1939 produziert, sie behandelte zumeist klassische oder mythologische Themen, die von Walt Disney in eine popkulturelle Sprache umformuliert wurden. Dabei spielte die Musik, die nicht nur an die Stelle von Geräuschen trat, sondern auch Dynamik und Emotionales auszudrücken hatte, eine wichtige Rolle, vor allem dadurch, dass sie präzise mit den zu sehenden Aktionen synchronisiert war. Diese Technik wurde damals schnell bei Filmfreunden unter dem Begriff »Mickey Mousing« berühmt. Erst ab 1932 wurden diese Cartoons übrigens in Farbe produziert, 1934 dann trat erstmals Donald Duck in den »Silly Symphonies«, in der Episode »Die kluge kleine Henne«, in Erscheinung und begann so seine atemberaubende Weltkarriere.

David Moses Verfahren der Übertragung von filmischer Bewegung weg vom Medium Film hin zu einem Blatt Papier ist weniger unmittelbar und energiegeladener als das von Pierre Bismuth, dafür aber deutlich komplexer. Da David Moses, anders als Pierre Bismuth, bei seinen Übertragungen nicht von dem »Original«, den Filmszenen also, die Geschwindigkeit seines Arbeitens vorgeschrieben bekommt, kann er überaus detaillierte und vielschichtige Analysen des filmischen Geschehens auf seinen Blättern vornehmen. Dabei konzentriert er sich auf ausgewählte Comicfiguren der jeweiligen Szene und ihr oftmals recht eruptives Handeln sowie auf ihren Ausdruck von Gefühlen und weniger auf den Hintergrund der Szenen. Dieses gelingt dem Künstler dank der malerischen Übersetzung von zeichentrickfilmischen Techniken wie »Squash & Stretch«, also dem Darstellen von Krafteinwirkungen durch Stauchen und Strecken, »Arcs«, den Bewegungsbögen von Gliedmaßen, oder »Anticipation«, dem Einleiten einer Bewegung durch eine Gegenbewegung, in den Raum seiner ja eigentlich statischen Bilder. So schreibt David Moses durch seine ganz eigene Form des gleichsam dynamischen, abstrakten und doch rudimentär gegenständlichen Malstils sowie durch seinen gleichsam konzeptuellen Neopop »Zeitspannen … und abstrakte Erinnerung an das weit entfernte filmische Bild«, wie es der Künstler selbst beschreibt, in seine überaus dichten, zuweilen entropisch-übervollen Arbeiten ein.

Raimar Stange