Portrait

Textauszug

Stephan Balkenhol
Balkenhols Tiere, ob allein oder in Kolonien, besitzen diese Unbekümmertheit, und sie behalten sie auch bei, wenn sie mit Menschen zu tun haben- wobei das eigentlich Faszinierende zu sein scheint, wie sie miteinander umgehen: die Menschenfiguren, die an Tierfiguren hochklettern oder auf ihnen sitzen, gehen ja so mit den Tieren um wie die Tiere sonst mit den Menschen- sie nehmen sie in Anspruch, ohne etwas von ihnen zu wollen. Das Frappierende an diesem ungedachten Umgang zwischen einem Menschen und einem Tier scheint auch in einem undatiertem Photo auf, das Balkenhol in seinem Buch "Über Menschen und Skulpturen" dokumentiert. Hier stehen einige ranzentragende Schulkinder fasziniert um einen tambourin- schlagenden Mann, neben dem ein (Tanz-) Bär steht- eine zufällig gefundene Kindheitsszene, so scheint es, die Balkenhol auf der gegenüberliegenden Seite mit der Zeichnung eines Cowboys auf einem Pferd kommentiert, die ebenfalls zugleich ein Kindheitsthema und das ganz und gar selbstverständliche Verhältnis zwischen Pferd und Reiter präsentiert. Und vor dem Hintergrund dieser Thematiken beinhaltet Balkenhols Werk das utopische Moment der Aufhebung von Differenz. Seine Menschenfiguren legen den gleichen selbstverständlichen Ungang mit ihrer Situation an den Tag wie seine Tierfiguren, und so liegt das Beeindruckende seiner Skulpturen darin begründet, daß sie eben in diesem Sinne von jenem anderen Ort kommen, an dem die Grenze nicht existiert, die die Reflexivität vor die Dinge, Tiere und andere Menschen zieht...

Harald Welzer