Portrait

Translocation, Kunstverein Hannover, 1994, Courtesy Kunstverein Hannover, Foto: Werner J. Hannapel

Textauszug

Magdalena Jetelová
Auch bei ihrer "Translocation" Ausstellung im Kunstverein Hannover geht es um die Transformation von Architektur und Skulptur, auch hier folgt die -aufwendige- Arbeit einem verbindlichen Gestaltungsprinzip, auch hier wird der Betrachter deutlicher als je zuvor Protagonist der künstlerischen Arbeit, während der Autor hinter und in seinem Werk verschwindet. In diesem Sinne ist die oft gigantoman operierende Künstlerin Minimalistin. In Hannover hat sie die Ausstellungsräume des Kunstvereins um etwa 9 Grad um ihre Längsachse gedreht. Eine einfache Idee, kompliziert auszuführen. Den lieb´ich, der Unmögliches begehrt. Das heißt, Außenwände sind nach innen gewandert (Innenwände allerdings nicht nach außen) Pfeiler, Rundbögen und Türen der neogotischen Säle erscheinen an anderer Stelle neu und teilweise doppelt, neue Wände schieben sich vor die alten Wände, verdecken, spiegeln oder penetrieren sie. Die Orthogonalität, der rechte Winkel der Räume, gerät durcheinander. Die klaren Linien verwirren sich. Die begehbare Skulptur wird zum Labyrinth. Wie unter einem Brennglas wird das im vormals quadratischen Raster der Oberlichter deutlich, die jetzt ein irritierendes Muster schräger Streifen abgeben. Die Welt ist aus den Fugen. Das Ineinanderschieben von alt und neu, des historischen und aktuellen Baukörpers funktioniert auch als Amalgamierung von Vergangenem und Gegenwärtigem, von Wirklichem und Simuliertem, von Faktischem und Phantasiertem. Ein Analytiker würde wahrscheinlich von realer und imaginärer Welt sprechen. So klar man auf dem Plan die mathematisch exakten Eingriffe der Raumverschiebung nachvollziehen kann, so irritierend und sinnverwirrend ist das Ergebnis, auch darin nicht unähnlich der kausalistischen Anamnese eines Falls und der konkreten Ohnmacht ihm gegenüber...

Michael Stoeber