Portrait

o.T., 1993, 2 Rahmen 10,5 x 10,5 cm

Textauszug

Ralph Hinz
"Pack die Badehose ein"- stets zur Sommerzeit ist dieser Song der 60er Jahre brandaktuell. Unsere Urlaubsutensilien verstauen wir gewöhnlich in Koffern. Andre so hört man, benutzen einen Koffer zu ganz anderen Zwecken, sei es zum Transport von Geldscheinen oder gar von verbotenen Dingen. Wie dem auch sei, ein Koffer gilt als Symbol für Mobilität, dient dem Transport von diesem zu jenem Ort. Nicht so bei Ralph Hinz. Ein mit Rollen versehener industriell gefertigter Hartschalen- Koffer wurde vom Künstler mit rund 120 kg Beton ausgegossen. Die äußere Erscheinung ist geblieben, dennoch hat sich der Koffer von einem Symbol für Mobilität zu einem von Immobilität gewndelt und seinen ursprünglichen Gebrauchswert eingebüßt. Mal stand dieser Koffer in der Wartehalle des Bremerhavener Hauptbahnhofs, mal neben einem Tisch mit Vernissagegetränken- wie beiläufig abgestellt und den Blicken des Publikums preisgegeben. ...

...Auf den ersten Blick scheint alles in bester Ordnung, auf den zweiten ist nichts, wie es sein sollte. Ralph Hinz spielt mit der Wahrnehmung der Betrachter und stellt Gewißheiten unserer Wahrnehmungspraxis in Frage. So gerät die oft unterstellte Kausalität von äußerer Form und inhaltlicher Bedeutung eines Gegenstandes ins Wanken. Die jeweilige Faktizität der Gegenstände ist Anknüpfungspunkt, wird benutzt und in einen Vorstellungsraum überführt. Grenzen zwischen Gebrauchsgegenstand und Kunstwerk werden ausgelotet, sind fließend und nicht mehr exakt definierbar. Weder bleibt das Ding Gebrauchsgegenstand noch emanzipiert es sich vüllig von seiner funktionalen Struktur, indem es zur autonomen Skulptur wird; statt dessen verhält sich das Ding zu sich selbst indifferent. Insofern liegt das Skulpturale nicht so sehr im Gegenstand selbst, sonder in dem Bedeutungswandel, den die Gegenstände erfahren. Den Arbeiten liegt ein Begriff des Skulpturalen zugrunde, der nicht an bestimmte Erscheinungen gebunden, sondern auf einer Ebene von Bedeutung und Imagination angesiedelt ist...

Joachim Kreibohm