Artist Ausgabe Nr. 46

Portrait

Textauszug

JULIA SCHER
Seid umschlungen Millionen: Ein »Überwachungsbett« empfängt den Besucher in der Berliner Galerie Schipper & Krome am Ende des Jahres 2000. Gar heimelig ist es mit seinen integrierten Infrarot- und Videokameras inklusive Monitoren und im selben Moment bedingungslos öffentlich. Auf dem weißen Laken herrscht eine gähnende Leere, die zum Benutzen des Ortes auffordert. Das Bett als existentielle Schaltstelle im Spannungsfeld von Geburt und Tod, von Traum und Sex, von Krankheit und Regeneration führt paradigmatisch vor, wie konsequent heute bereits jenseits aller Grenzen von Zeit und Raum unser Leben eingebettet ist in ein Mixed aus Medialität und Authentizität, aus Macht und Ohnmacht sowie aus Individualität und Allgemeinheit. Auf den Monitoren sind nämlich nicht nur aktuelle Bilder der sich auf dem Bett Befindenden zu sehen, sondern es werden zudem gespeicherte Bilder von dort vorher - während anderer Ausstellungen des Bettes oder im Appartement der Künstlerin - Aktivgewordenen abgespielt. Auch ein Andocken ans Internet, den eigenen Videorecorder oder in diverse Überwachungssysteme hat die Künstlerin angedacht. ...

Raimar Stange