Artist Ausgabe Nr. 40

Portraits

JÜRGEN STOLLHANS | COSIMA VON BONIN | Martin Brüger | MICHAEL KALMBACH | Reene Levi | GABRIEL OROZCO

Interview

Thomas Bayrle

Page

Heinz Emigholz

Polemik

Thomas Huber

Künstlerbeilage

Adib Fricke

Edition

Renée Levi

Interview

Textauszug

Thomas Bayrle
J.K.: Berufe wie Diplom-Ingenieur, Diplom-Chemiker oder Diplom-Kaufmann gehen einem locker von der Zunge, aber Diplom-Künstler. Es klingt nach objektiver Strenge und Wahrhaftigkeit. Warum Diplom - soll per Zertifikat etwas objektiviert werden, das ohne weiteres nicht objektivierbar ist?

T.B.: Ein Diplom wird doch nur bei staatlichen Stellen zum Einsatz kommen oder bei der Krankenkasse. Das sind Zwangssituationen, wo so etwas helfen mag, aber jedermann weiß, daß kein Künstler aufgrund eines Diploms einen Hochschuljob oder eine Ausstellung bekommt. Da ist die Empfehlung eines guten Lehrers in der Form des Akademiebriefes schon mehr wert.

J.K.: Die Losung der 68er Generation gegen den \"Muff von 1000 Jahren unter den Talaren\"\" scheint an den Kunsthochschulen ohne Resonanz geblieben zu sein. Wie eh und je wird in Klassen studiert, auch ist die Rede von Schülern und Lehrern. Sind diese Strukturen nicht Ausdruck von Abhängigkeitsverhältnissen?

T.B.: Es ist eine Frage der Qualität von Beziehungen, ob ein echter Muff durch eine Schule fegt. Da kann es auch mit \"fröhlich, freien Betulichkeiten\" muffig sein, wenn es nichts zu berichten gibt. Daß in Klassen studiert und von Lehrern und Schülern geredet wird ist akzeptabel, sofern substantiell etwas rüberkommt. Ohnehin gibt es sehr unterschiedliche Formen, eine Klasse zu führen, das hängt stark vom Typ des Lehrers ab. Zwei Typen von Lehrern dominieren: die einen \"wissen es\" und die anderen \"ahnen es\". Bei uns z.B. Kubelka and myself. Aus dieser Konstellation entstehen verschiedene Stile in den Klassen. Eine Art Rangierbahnhof bei mir ?? mit geben und nehmen zu etwa gleichen Teilen ?? oder eine faszinierende Vorlesung über metrische �hnlichkeiten in der Musik und beim Kochen bei Kubelka. Dahinter verblassen äußere Formen doch sehr. ...

...J.K.: Thomas Huber, der seine Professur auf Lebenszeit an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig ge-kündigt hat, beklagt in unserer Rubrik \"artist Polemik\" die mangelnde Offenheit der Studenten. Keiner kann sich mehr für ein Werk außer dem eigenen begeistern, statt dessen gehört der Neid untereinander zum Hochschulalltag. Ist am Städel alles anders? T.B.: Also keiner ist zu viel gesagt. Die Entwicklung der eigenen Arbeit setzt vielmehr Interesse an anderen Werken voraus und ist lebensnotwendig. Wenn Thomas Huber das Interesse an anderen Künstlern begeisternd, altruistisch meint, so muß ich auf den eben erwähnten Mentalitätswandel hinweisen, der kein engstirniger Egoismus sein muß, sondern kühles Sondieren im Steinbruch der Möglichkeiten ist. ...

Joachim Kreibohm