Artist Ausgabe Nr. 121

Portraits

Banu Cennetoglu | Fabian Treiber | Paul Czerlitzki | Kaari Upson

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Barbara Probst

Edition

Fabian Treiber

Portrait

Delay, acrylic on canvas, folding chairs, 2019, 255 x 190 cm, Foto: Marco Blessano, courtesy of the artist and Annex14, Zürich

Textauszug

Paul Czerlitzki
Paul Czerlitzki, Urheber der eingangs erwähnten Arbeiten, gehört zu den Protagonisten dieser Generation. Er nutzt das Projekt, um drei unterschiedliche Ansätze seines Werkes zu zeigen und sich ansonsten ziemlich zu entziehen. 2014 hatte der Meisterschüler von Katharina Grosse sein Kunststudium abgeschlossen, In der Galerie König (Berlin) war nebst anderem 2015 ein großer, zwei Meter hoher Fries aus Bildkörpern zu sehen, der für den damaligen Galerieraum in der Dessauer Straße entstanden war. Was alle Bilder verband, war ihre stoische Gelassenheit, ja Selbstbezogenheit und ihre durch den Entstehungsprozess unmittelbar aufeinander bezogene Bedingtheit. Paul Czerlitzki nutzt die Leinwand nicht als Träger-, sondern als Transfermaterial. Czerlitzki malt durch die Leinwand auf die darunter liegenden Wände, so dass Leinwandstrukturen entstehen, die einen Negativabdruck des Materials ergeben. Er verfolgt mit diesen Bildserien die Idee eines sich in alle Richtungen ausdehnenden organischen Bildkorpus, dessen Bestandteile - die einzelnen »Gemälde« - eine eigene Existenz haben, aber »Vorurteile« eines Ganzen sind, wie in einem damaligen Text zur Ausstellung erläutert wurde.


Es geht Czerlitzki nicht um die »Bedeckung einer Oberfläche mit farbigem Material«. Es kommt auch nicht zur Explosion. Durch die »Imprägnierung« der Oberflächen mittels des Farbkompressors wird sein eher übersichtlich-großes Atelier von schwarzen Pigmenten bedeckt, als wäre dieses vielmehr implodiert. So entstand die Idee, die weißgrundierten Leinwände auf den Boden zu legen und den Staub parallel einzufangen. Die flüchtige und zugleich visuell belebte Oberfläche ist sehr labil und kaum fixiert. Veränderungen durch Transporte und Ausstellungen werden in Kauf genommen. Berührungen von Besuchern werden ihrerseits Spuren hinterlassen, sie zu Co-Autoren machen, zumindest konzeptuell. Berührungen und Erschütterungen verändern, doch schreiben sie sich als andere Bilder weiter - wie im manchmal nicht ganz so alltäglichen Leben.

Bestätigung für die eigene Arbeit galt die »Basic Research«-Reihe von Isa Genzken, die zwischen 1989 – 1991 im Kölner Atelier entstand. Bei der Frottagen-Serie, die zu den wenigen Gemälden Genzkens auf Leinwand führt, nahm sie mit einem einzigen ölfarbengetränkten Abdruck die rauhe Oberflächenstruktur ihres Atelierbodens auf zunächst quadratischen Leinwänden ab. In Erinnerung blieb auch die Ausstellung des gebürtigen Landsmanns Michal Budny im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen 2011, den er daraufhin in Warschau besuchte. Direkt oder auch indirekt zitiert wird dennoch nicht. Zu sehr ist das Werk auf seine eigenen Elementarteile bezogen. Es geht in der Arbeit nicht darum, Dinge oder Fragen zu benennen, sondern Phänomene zu verkörpern.

In diesem Sinne versteht Czerlitzki die Malerei als ein Laboratorium, in dem auch er die Präsenz unterschiedlicher Zeitlichkeiten und Räumlichkeiten innerhalb der Bildentstehung manifestiert. Die gegenseitige Bedingtheit verschiedener Parameter (Format, Materialität, Farbmenge, Raumbezug) bleibt als Körperlichkeit zwischen Bild und Raum auch für den Betrachter erfahrbar. Seine Malerei besteht auf ihrer eigenen »nackten« Existentialität, die sie Schicht für Schicht entäußern, aber auch zurückzuziehen vermag und die auf eine ganz eigene, unsentimentale und offene Weise versucht, unter die Haut zu gehen.

Sabine Maria Schmidt