Artist Ausgabe Nr. 121

Portraits

Banu Cennetoglu | Fabian Treiber | Paul Czerlitzki | Kaari Upson

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Barbara Probst

Edition

Fabian Treiber

Portrait

Boilermaker, 2019, Acryl und Tusche auf Leinwand, 120 x 100 cm, Foto: Annette Kradisch, Courtesy Galerie Mark Müller, Zürich

Textauszug

Fabian Treiber
Come on in my living room; come on in my painting! Fabian Treiber malt Interieurs. Sie sind eigenartigerweise ein Stück weit unscharf und ihre Oberflächen cool, fast unnahbar. Irgendwie flirrend. Sie wollen mit flanierendem Auge geschaut sein: Mal verweilt es dabei an dieser, mal an jener malerischen Konkretion. Dennoch erkennt man auf den ersten Blick kaum wirklich, wie Fabian Treiber malt. Zudem ist keinesfalls gewiss, wie weit angesichts seiner Bilder Begriffe tragen – ob etwa eine Form aus pastosem Farbmaterial, die wie ein gebackener Farbkeks satt über hauchdünnen Lasuren steht, überhaupt in Worte zu fassen sei. Fabian Treibers Bilder scheinen mit dem Wunsch zu spielen, dass dies tatsächlich nicht gelinge.

Fabian Treiber baut seine Bilder als Ergebnisse von Anreicherungsprozessen in Schichten auf. Es sind bis zu zwanzig oder mehr Lagen hochpigmentierter Acryl-Tuschen. Dicht. Pastellartig. Dabei tun sehr nahe verwandte Farbtöne einander und im Auge der Betrachter besonders weh. Etwa dasselbe, jedoch leicht unterschiedlich dichte Pink, das mal in etwas mehr, mal in etwas weniger Lagen aufgetragen ist. Doch sind Lasuren, die in den nicht grundierten, offenen Stoff eindringen, unwiederbringlich verloren, wenn eine Schicht pastoser Farbe darüber kommt. Auch kann die leicht schwebende Dichte einer Fläche aus zwei, drei dünnen Farblagen nicht wiederbelebt werden, nachdem sie auch nur leicht übermalt wurde. Dabei entstünde etwas völlig Neues. Immer geht es auch um Fragen des Gestaltsehens. Wann setzt dieses ein? Mit welcher Relevanz? Wann also verklumpen sich malerische Spuren zu etwas? Wann genau formen sich die Dinge? Was ist zuerst, was kann stehen bleiben? Da war ja bereits etwas, und am Ende braucht es aus dem malerischen Prozess heraus nur noch ein Stück davon: nicht die skizzierte Hand, nur eine Partie von ihr als Form, nicht die Seitenwand einer Kommode, statt ihrer ein energetisch fahles Energiefeld. Fabian Treiber malt weitestgehend Nass in Nass. Das ist die Königsdisziplin. Sie erlaubt kein Vertun. Die Sache muss aufs Erste sitzen. Dabei malt Fabian Treiber nicht nur mit dem Pinsel. Vor allem sprüht er die Farbe mit der Airbrush-Pistole. Aus dieser Technik resultiert eine eigentümliche
Unnahbarkeit der Oberfläche, eine gewisse Unschärfe dessen, was auf der Ebene des Sujets in Szene gesetzt ist, auch eine seltsame Distanz. Dass der Maler die Oberfläche seiner Bilder in weiten Teilen und oft im Ganzen nicht berührt, bedingt, dass er sich dem Material nicht einschreibt. Es findet sich kein Duktus, keine subjektive Handschrift, keine gestische Aufladung. Statt dieser bieten sich gedrängte Bildräume und eine Fülle, die das Format weitet, ihm Atem gibt.

Hinzu kommt die umfangreiche Bilderserie der »Common Things«, der Alltagsdinge, Badelatschen, beispielsweise, einem Tennisball über Eck-Markierungen des Spielfeldes, paarweise Wander-, Turn- und Halbschuhe, eine Toilettenschüssel vor einer Kachelwand, oder ist es eine Duschwanne? Jedenfalls setzt Fabian Treiber die Gegenstände – ein Stück weit nach Art eines Philip Guston – meist zentral ins Bild, wobei die »Common Things« den Eindruck eines unmittelbaren bildhaften Versprachlichens bieten. Diese Porträts eher belangloser, vermeintlich allzu bekannter Dinge überraschen als leise irritierende Bildwelten, in denen alles zu stimmen scheint und die einen dennoch mit der Alltagserfahrung nicht versöhnen – schließlich kann das Einfachste hohen Genuss versprechen und zugleich das Fundament der Gewissheit tief erschüttern. Das gilt nicht minder für die grau-violette Jalousie, die als recht stringentes horizontales Streifenfeld daherkäme, wäre da nicht dieser prekär gezackte Rand links, der ein Gegenstandslesen erst ermöglicht, dazu der schmale Streifen unten und die Ahnung eines Grifffelds. Nicht minder ist das Geschehen an die Ränder verlagert im »Boilermaker« betitelten Bild mit seinem nahezu komplett leer gestellten Zentrum einer rosaroten Fläche. Ist sie das Tischtuch, das tief an der Seite des Möbels herunterhängt? Oben mit Volants und Bordüren, unten zackig ausgefranst, wobei eigenwillig geformte Füßchen hervorschauen. Oben links, die Ecke leicht schräg angeschnitten, dann – in starker rhythmischer Verdichtung – die Tischfläche, Objekte, sind es Bücher, Servietten, rechteckige Schalen für Knabbergebäck? Weiter rechts in einer Zone zunehmender Beruhigung ein Herrenhut. Nicht wirklich ins Bild gerückt sind das Bier- und Whiskeyglas, die Objekte, die nach amerikanischer Terminologie das Herrengedeck, den Boilermaker bilden. Die Stimmung? Durchaus ein Stück weit melancholisch. Oder: Stille, dazwischen. Wie aber sollte dieser jemand lauschen können, der ständig laut Selbstgespräche führt? Fabian Treiber gibt ihr in gebotener Konzentration darstellenden Raum, wie es sprachlich in einem Gedicht nur möglich ist.

Fabian Treibers Interieurs sind voll Stimmung aufgeladen, durchaus ambivalent und in jedem Fall geprägt durch eigenwillige Farbbeziehungen, überraschende Blickachsen und markante Fragmentierungen. Das generiert Spannung und ist dem Auge eine Aufmunterung. Ist Fabian Treiber ein Maler des Glücks? Irgendwie schon. Denn seine Bilder formen sich überaus frei im Spiel, gelenkt durch eine scharfe Aufmerksamkeit ihres Autors und dessen Bereitschaft, der Malerei Raum zu bieten. So gesehen sind sie eine pure Einladung ans Publikum. Und wo jemand ist, der schaut, ist auch ein Bild – und sei es das einer »Kitchenette«, einer »Beach«- oder einer »Minibar«.

Andreas Baur