vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 100

Portraits

Birgit Megerle | Michael Beutler | Luisa Kasalicky | Anselm Kiefer | Isa Genzken

Portrait

Ausstellungsansicht: »I’m Isa Genzken, The Only Female Fool«, Kunsthalle Wien 2014, Foto: Stephan Wyckoff: Isa Genzken, »Grün-orange-graues Hyperbolo ‘El Salvador’«, 1980, Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln; Isa Genzken und Wolfgang Tillmans, »Science Fiction/Hier und Jetzt zufrieden sein«, 2001, Courtesy Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, 2008 Schenkung der Friedrich Christian Flick Collection

Textauszug

Isa Genzken
In Deutschland wurde Genzkens Werk 2009 in einer umfangreichen Ausstellung im Museum Ludwig gewürdigt. Im selben Jahr vertrat die in Berlin ansässige Künstlerin das Land als eine der wichtigsten Vertreterinnen zeitgenössischer Kunst im Deutschen Pavillon in Venedig. Diesen kuratierte seinerzeit Nicolaus Schafhausen, der sie nun auch in die Kunsthalle Wien einlud.

Neben früheren Werken wie den so genannten Hyperboloiden und Ellipsoiden oder den »Strandhäusern zum Umziehen« (2000) sind neue Arbeiten der seit vielen Jahren fortgeführten Serie »New Buildings for Berlin« (2014) zu sehen. Im Zentrum der Ausstellung steht dabei der Dialog mit ausgewählten Arbeiten von Künstlern, zu denen Genzkens Werk enge Nahtstellen, persönliche Verbindungen und Vergleichsmöglichkeiten aufzeigt. Dazu gehören Werke von Dan Graham, Gordon Matta-Clark, Jasper Johns, Gerhard Richter, Wolfgang Tillmans und Lawrence Weiner, die alle die Auseinandersetzung mit den Widersprüchlichkeiten des Urbanen und die daraus resultierenden die Gesellschaft verändernden Potentiale verbindet. Dass sich in diesem Referenzgeflecht keine Künstlerin findet, wirft für den/die ein oder anderen Besucher/in sicherlich verschiedene Fragen auf. Der von der Künstlerin selbst und spontan gewählte Titel der Ausstellung »I’m Isa Genzken, The Only Female Fool« spielt mit seiner implizierten Rankingkategorie unmittelbar auf die mühseligen Künstlerinnenkarrieren in der männerdominierten Kunst der 1960 - 1980er Jahre an. Zum anderen ist Genzken die eigene gut geölte Vernetzung mit männlichen Künstlerkollegen, Galeristen und Kuratoren im Zusammenhang mit ihrem Markterfolg der letzten Dekade auch zum Vorwurf gemacht worden. Nicht zuletzt klingt in der übersteigerten Selbstbezeichnung der legendäre Beatles-Song »The Fool on the Hill« nach. Der aller Unbeachtung und Vereinsamung zum Trotz schweigsam auf dem Hügel verharrende Narr (hier die Närrin), kennt zumindest jeden Sonnenuntergang und sieht die Welt auch an ihrem Nullpunkt weiter an sich vorbeikreisen.

Mit vielen Künstlern war/ist Isa Genzken eng befreundet. Dan Graham, mit dem sie 1981 durch die Clubs von New York zog, pries ihren unerschütterlichen Humor und Lawrence Weiner widmete ihre eine persönliche Textarbeit. (»Cut to the Chase – Reflections on and about Isa Genzken«, 2008). Zusammen mit Wolfgang Tillmans entstand 2001 die oft gezeigte Installation »Science Fiction / Hier und jetzt zufrieden sein«. Dabei stehen zwei gänzlich verspiegelte Wandkuben, die den Betrachter und das Umfeld in einer verschachtelten Reflexion einfangen, der monumentalen Fotografie »Wake« von Wolfgang Tillmans gegenüber. Diese zeigt die Überreste einer Party in seinem Atelier nach einer durchfeierten Nacht mit Ausblick auf einen vergangenen Ort und Zeitraum. Wolfgang Tillmans portraitierte Genzken 1993 im Kölner Dom und zeigt sie selbstbewusst inmitten der imposanten Sakralarchitektur, die sie als inspirierenden Ort für das eigene Schaffen aushandelt und zum eigenen Atelier erklärt.

Die Wiener Ausstellung ist eine sowohl persönliche als auch kunsthistorische Würdigung des Werkes von Isa Genzken. Die behutsam inszenierten Dialoge sparen dabei interessanterweise den Werkkomplex der katastrophischen Szenarien und Assemblagen der letzten Jahre, die bisweilen mit ungewöhnlich niedlichen (Plüschtier- und Puppen-Exotismus) sowie ungewöhnlich drastischen Konstellationen (Armageddon-Science-Fiction) eine vordergründig dystopische Sicht auf die Gegenwart werfen, aus. Das wirkt beruhigend und tut zunächst gut. Doch Genzkens dialektische Suche nach den Extremen ästhetischer und sozialer Artikulationen (Eleganz, Strenge der Form, Planung versus Brutalität, Instabilität, Anarchie), der Schaffung von Dingen, »die von dieser Welt sind, sich darin aber selber nicht mehr wohlfühlen« (Decter), wird wohl noch einige Überraschungen bereit halten.

Sabine Maria Schmidt