Artist Ausgabe Nr. 85

Portraits

Almut Linde | Stephan Baumkötter | Preechaya Siripanich | Poul Gernes | Peter Böhnisch

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Beate Gütschow

Künstlerbeilage

Susanne Hanus

Portrait

Heute kommt und morgen bleibt, 2010, Rauminstallation, Wandfarbe, Holz, Stofftasche, Städtische Galerie Bremen, Courtesy Galerie für Gegenwartskunst, Barbara Claassen-Schmal, Bremen

Textauszug

Preechaya Siripanich
Siripanich schafft mit der fragilen Architektur und dem einfachen Holz seiner »Second Class« einen Gegenpol zum massiven repräsentativen Bangkoker Museumsbau. Auch ein Verweis auf die Produktionsstätten und Präsentationsstände der Künstler seines Landes, ein Link zu aktuellen Brüchen zwischen Kunst, Kultur und Konsum ließe sich neben dem sozialen Konfliktstoff aus der Arbeit lesen. Nicht zuletzt trägt die Ambivalenz der Form dazu bei, ästhetische Lösung und künstlerische Haltung hier selbst zum Thema zu machen. In ihrem minimalistischen Auftritt repräsentiert die Installation in Reduktion, Klarheit, Strenge und Eignung zur Serialität gewichtige Ideale der Moderne. Ob deren historischer Anspruch auf eine Demokratisierung funktionaler Formschönheit zu halten und vielleicht sogar auf zeitversetzte Modernisierungsschübe anderer Kulturen zu übertragen ist, gibt die Arbeit mindestens als Fragestellung auf.

Dass Siripanich auf ästhetische Fragen und bildhauerische Ideale der westlichen Moderne rekurriert, es dabei aber nicht bei selbstbezüglicher Umrundung von Raum und skulpturaler Wirkung belässt, zeigt der perspektivische und inhaltliche Fluchtpunkt von »Second Class«. Am Ende der Rampe, die die Installation nicht nur als Objekt der Betrachtung, sondern auch als begehbar ausweist, befindet sich in monumentaler Höhenausdehnung ein Wandelement in orangefarbenem Jalousienstoff. Die Rampe deutet auf der Ebene sozialer Referenz den Höhenunterschied zwischen armer Architektur und dem erhabenen Bauwerk an, das in der abstrahierten Form zu erkennen ist. Farbe und Größe verweisen auf thailändische Tempelbauten. Hort der Religion, könnten sie hier sowohl als Machtdokument wie auch als Fluchtpunkt der unteren Bevölkerungskreise zu verstehen sein.

In der Rauminstallation »Heute kommt und morgen bleibt«, die Siripanich jüngst in Bremen in der Städtischen Galerie anlässlich seiner Förderpreisausstellung zeigte, knüpft der Künstler an seine Grundthemen an. Dabei verdichtet und abstrahiert er die Formen und pointiert seine Motive. Eine formal reduzierte Malerei deutet eine Stadtkulisse an, eine grüne Stofftasche den Kauffeldzug und die Eigenbeteiligung des Künstlers. Ein Gitter mit Strahlenkreuz, das einen schmalen Schatten aus tiefschwarzem Tuch wirft, setzt ein Naturzeichen und entwirft ein kosmisches Symbol. Eine Holzkonstruktion mit Verweis auf elementare Daseinsverrichtungen - Unterstand, Wohnprovisorium, Haltestelle, Tafel und Laufsteg - mischt Profanes mit Weihevollem und Sakralem. »Kleiner Tempel« heißt die Installation, der einer Laterne mit Kerzenlicht einen mystischen Innenraum und private Andacht verleiht.

Rainer Bessling