Portrait

Lessing, 1992, Colourprint, 183 * 244 cm

Textauszug

Angela Garuerholz
Die Motive ihrer Bilder sind von nicht zu überbietender Trivialität; völlig unspektakulär zeigen sie ein Paar beim Baden, eine Sclange wartender Menschen, Gäste in einem Cafe, Landschaften, leere Räume, Porträts. Obwohl man die Motive erkennen, die Orte bestimmen und Personen benennen kann, scheint der Wirklichkeitsgehalt der Bilder eher irreal. Damit grundieren sie einen zu allen Zeiten gültigen Realitätszweifel, der ihnen zugleich einen universalistischen Charakter gibt. Die Allgegenwart des Traums beherrscht diese Bilder und setzt die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft. Die Logik von Zeit und Raum scheint aufgehoben, wo die Grammatik eines überzeitlichen Erinnerns ins Bild zieht. ...

...Das Spiel mit der Zeit, dem flüchtigen Augenblick Dauer zu verleihen, stützt die Photographien durch ein koloristisches Verfahren, bei dem sie die Aufnahmen oft sepiatonig einfärbt, so daß sie wie historische Aufnahmen aus längst vergessener Zeit erscheinen. Die großen Formate ihrer Aufnahmen erinnern an Historiengemälde, die den Betrachter in ihren Bann ziehen und sich zugleich doch jeder einfühlenden Identifikation mit den dargestellten Sujets verweigern. Die Motive sind uns ebenso nah wie fern, ebenso fremd wie vertraut; in dieser Dialektik suggerieren sie einmal mehr die vertraute Fremdheit des Traums.
Die Bilder der Grauerholz haben eine eminent malerische Qualität. Diese Qualität tritt ganz intensiv in den Bildern der \"Druiden\"- Serie hervor, Landschaftsaufnahmen, in denen sie wie ein Grisaillemaler eine reiche Skala von Grautönen in immer feinerer Abstufung und Finesse herausgearbeitet und in denen ein fast jenseitiges Licht erscheint. Die Nähe zur Malerei wird auch deutlich, wenn die Künstlerin Fragmente aus Bildern der romantischen Schule des 19. Jahrhunderts abphotographiert, einen entblößten Fuß, das Bein dekorativ von einem kunstvoll drapierten Gewand umspielt, oder einen in warmen Rottönen leuchtenden Torso...

Michael Stoeber