Artist Ausgabe Nr. 51

Portraits

Beate Gütschow | Bernhard Martin | Jeppe Hein | Markus Selg | Clay Ketter | Sophie Calle

Interview

Christoph Keller

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Dieter Froelich

Künstlerbeilage

Andreas Karl Schulze

Portrait

»Auberge chez belle Helène«, 2002, Öl, Lack, Acryl auf Holz, 210 x 165 cm, Courtesy Galerie Voges + Deisen, Frankfurt

Textauszug

Bernhard Martin
Freizeit, Urlaub, die vermeintlichen Sehnsüchte der Spaßgesellschaft und die dazugehörigen Verhaltensmuster, das sind die Themen, um die die Arbeit von Bernhard Martin kreist: »Ich nehme einfach, was ich gerne tue. Gut essen und trinken, in Urlaub fahren, Sex. Dinge, die eine allgemeine Gültigkeit haben. Und ich habe auch nichts gegen Klischees«. Die technische Variation eines kleinen Themenkanons ist dabei wesentlicher Bestandteil seines Schaffens. Seine Vorstellungen präsentiert er nicht nur in Form von Objekten, sondern ebenso als Collagen, Zeichnungen und immer wieder poppig-bunte Gemälde. Alles fußt, alles bezieht sich aufeinander.

Die Vorlagen für seine fröhlich-bunten Bilderwelten bezieht er aus Magazinen und dem Internet. Es sind selbstgemachte Fotos genauso wie Reproduktionen von Kunstwerken. Er selbst nennt dieses Vorgehen treffend »Picture-Shopping«. Wie ein Schwamm saugt er auf, was ihn umgibt, um es in seiner Weise wieder abzusondern. Der bewußte Rückgriff auf Dinge aus zweiter Hand ist absolut zeitgemäß. Tatsächlich machen wir den Großteil unserer Erfahrungen nicht mehr direkt und »vor Ort«, sondern beziehen uns eher auf das, was wir durch die Medien und immer wieder das allgegenwärtige Internet vermittelt bekommen. Zudem stecken wir in einem unlösbaren Dilemma: Natürlich wissen wir, daß es wenig Sinn macht, der Fülle an Bildern in der Welt noch die eigenen hinzuzufügen. Und trotzdem haben wir das starke Bedürfnis, genau dies zu tun. Nicht nur die wild fotografierenden Horden von Touristen bestätigen das unbewußt tagtäglich. Ebensowenig kann ein Künstler die Neuproduktion von Bildern abstellen - von Duchamp vielleicht einmal abgesehen. Aber wenigstens kann er aufhören so zu tun, als gäbe es noch so etwas wie das unvermittelte Erleben von Welt. Denn wie war das noch: »The medium is the message«.

Bernhard Martin reagiert darauf, indem er Bilder nutzt, die bereits existieren - wie eben Abbildungen aus Magazinen oder Kunstge- schichtsbänden. Hat er Sehnsucht nach Natur, schaut er ins Internet und malt sie sich. Hat er Lust auf eine Frau: dasselbe. Und möchte er in Urlaub fahren, greift er sich eine Fotografie und baut sich eben seinen ganz persönlichen »Private Beach«.

Janneke de Vries