Artist Ausgabe Nr. 54

Portraits

Hans Schabus | Jürgen Witte | Candice Breitz | Tacita Dean | Amelie von Wulffen

Interview

Veit Görner

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Peter Piller

Ausstellungen

»On Stage«

Künstlerbeilage

Stefan Wissel

Portrait

Hans Schabus

Textauszug

Hans Schabus
Hans Schabus ist immer anwesend, selbst dann, wenn er abwesend ist. Diese ständige Präsenz läßt sich aus spezifischen Eigenheiten seines Werkes herleiten. Zunächst einmal tritt Schabus in seinen Videofilmen selbst als Akteur auf, und der Zuschauer folgt im Nachhinein dem jeweiligen Handlungsverlauf. Gerade diese faszinierende Art aktiver Aneignung macht das Wesen von Schabus’ Werken aus. Als Betrachter ist man ja im Verhältnis zum Künstler generell in die Rolle des Rezipienten verwiesen. Schabus nutzt dieses Mißverhältnis als eines der Kriterien, mit Hilfe derer er die Wahrnehmung auf die Phänomene von Raum und Zeit lenkt und grundsätzliche Diskrepanzen der Bedingungen unseres Seins herausstellt.

Am spektakulärsten kommt dies in seinem Videofilm »Passagier« von 2000 zur Geltung. Darin fährt eine Modelleisenbahn auf in 2,70 Meter Höhe angebrachten Schienen den Wänden des mehrräumigen Ateliers entlang. Sie führt am Heck eine zurückschauende Videokamera mit, deren Bilder der Zuschauer auf dem Monitor verfolgen kann. Entsprechend dem knappen Bildausschnitt sieht man Teile des Ateliers mit vollgekramten Tischen, Stellwänden, Maschinen, und immer mal wieder taucht der konzentriert beschäftigte Künstler auf. Während der Zug unbeirrbar gleichmäßig vorwärts fährt, sich durch dunkle Tunnel der aufgeschlitzten Wände zwängt, um danach sogar den Ausblick nach draußen auf den Hof zu erlauben, hechelt das Betrachterauge den laufenden Bildern hinterher, um möglichst viel von dem belebten Arbeitsambiente zu erhaschen. Die Lok übernimmt gewissermaßen die Funktion einer Repoussoirefigur und sorgt für zweifache Blickrichtung: Ist die Kamera oder der Betrachter der Passagier? Bei mehrmaligem Umrunden der Räume stellt sich einerseits der Wiedererkennungseffekt markanter Details ein, andererseits ist man überrascht, daß die Handlung als gelebte Zeit vorangeschritten ist.

Renate Puvogel