Portrait

Die pompejianische Südsee, 2011, Silbergelatine-Abzug, Unikat, 109,5 x 126 cm, Privatsammlung

Textauszug

Jan Paul Evers
Die Arbeiten von Jan Paul Evers besetzen innerhalb der jungen Fotografie einen Ansatz, den man als Rückgewinnung des außermedialen Terrains bezeichnen könnte. In der Tat erinnern Evers´ Bilder mit ihren satten Tonwerten und der taktilen Sensibilität der Oberflächen an Malerei oder eher noch an Zeichnung mit schwarzem Graphit auf Papier. Faktisch handelt es sich um Fotografie, wie sie klassischer nicht sein könnte: Es sind ausnahmslos analog hergestellte Schwarzweißabzüge auf Barytpapier. Das ganze Spektrum der papier- und chemikalienbasierten Materialisierung eines Lichteindrucks in der Alchimistenküche des Fotolabors kommt hier wieder zum Einsatz. Und vom handwerklichen Aspekt aus betrachtet erscheint die langwierige und fragile Prozedur der Bildgenese mittels manueller Manipulationen feinst graduierter Schärfen, Kontraste und Graustufen über das Hantieren mit Entwickler und Belichtungszeiten, punktgenauem Arbeiten mit Schablonen und Abwedel-Techniken bis hin zur Bestimmung der Körnigkeit vielleicht tatsächlich eher mit Malerei und Zeichnung verwandt als mit der körperlosen digitalen Fotografie.

Das Fotolabor ist der Hauptschauplatz. Als eine Art speziell präpariertes Atelier wird es zum Ort der künstlerischen Entscheidungen und der Bildentstehung. Das Material dazu liefert sowohl der Fundus eigener, digital hergestellter Fotografien, als auch die Abbildungen aus Zeitschriften oder Büchern oder eben der zusammengewürfelte Bestand, der die digitalen Bilderbanken flutet. Erst durch die Bearbeitung am Rechner wird daraus eine Bildvorlage, die Evers analog auf Schwarzweißfilm überträgt. Oder wie er es selbst in einem Interview ausdrückt: »Das Motiv muss in die digitale Kiste und dann auf die analoge Gelatine, und damit geht es ins Labor, um das eigentliche, das richtige Bild herzustellen.« (J.P. Evers, in: Modernismus fängt zu Hause an, Katalog, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2014, S. 72)

Häufig arbeitet Evers mit geschickt eingesetzten Unschärfen, die sich teilweise schon aus der starken Vergrößerung der Vorlage ergeben. Beispielsweise handelt es sich bei dem Motiv »Die perfekten Bögen« von 2011 um einen winzigen Ausschnitt aus einem der Bronze-Reliefs aus Ghibertis Paradiestür des Baptisteriums in Florenz. Evers könnte auf einer Abbildung der berühmten Bronzearbeit darauf gestoßen sein, die er dann abfotografiert hat. Klischeehaft besetztes Footage-Material liegt auch der Ansicht eines palmengesäumten Südseestrandes zugrunde, deren Titel »Die pompejianische Südsee« (2011) eine Verbindung zu verblassenden römischen Wandmalereien herstellt. Auch das »Ehepaar mit Hund« (2012) bezieht aus der Unschärfe die phantomhaft unwirkliche Wirkung einer Aufnahme aus glücklichen Tagen von Hannelore und Helmut Kohl mit Schäferhund. Dagegen werden die prachtvoll geblähten Segel in »Das Segelschiff« (2010) durch eine mittels Schablonen separierte Ausbelichtung in die Fläche zurückgebunden, so dass sich das Sehnsuchtsbild von Freiheit und Aufbruch in ein scharfkantiges, festgezurrtes und an rigide Normen erinnerndes Emblem verwandelt. Ähnlich gezähmt und arretiert wirkt der in die Geometrie eines perfekten Halbkreises eingebundene Pfau mit seinem zum Dekor erstarrten Rad.

Sabine Elsa Müller