Portrait

Mariana Castillo Deball, Parergon, Installationsansicht Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, Foto: Thomas Bruns, Ausstellung »Mariana Castello Deball. Parergon« vom 20. September 2014 bis 1. März 2015

Textauszug

Mariana Castillo Deball
Im Museum für Gegenwartskunst der Nationalgalerie ist »Das stehende Mädchen« nach seiner Rückkehr nur eines der vielen Indizien, die von Mariana Castillo Deballs Anknüpfungspunkten zeugen, anhand derer sie sich, 2013 mit dem Preis der Nationalgalerie ausgezeichnet, für das Ausstellungsprojekt auf die Fährtensuche begibt.

An die daraus folgende grundsätzliche Annahme einer Verzahnung von Wissenschaft und Literatur, von Faktizismus und Poesie, von Wahrnehmung und Interpretation knüpft Castillo Deball in ihrer künstlerischen Praxis an. Sie gehört zu einer jüngeren Generation von Künstlern, die mit den Mitteln der Wissenschaftsgeschichte, Ethnografie und Archäologie eine künstlerische Forschung etablieren, die durch das Offenlegen von Leerstellen und außer Acht gelassenen, nicht in die Narration passenden Details manchmal mehr wissenschaftliche Wirklichkeit herstellen als die Wissenschaften selbst. Das künstlerische Interesse wird nicht zuletzt durch selbstreflexive Entwicklungen in den genannten Wissenschaftsbereichen genährt, die sich in Forderungen nach expliziter Artikulation der Annahmen der Forscher, ihrer persönlichen Erfahrung und ihrer sozialen Positionierung im Forschungsbericht abzeichnen. Disziplinen wie die Anthropologie richten verstärkt ihre Aufmerksamkeit auf die Prozesse der eigenen Einschreibung in die Forschungsergebnisse. Der für Künstler dabei entscheidende Aspekt ist die fragile Vorstellung, dass es so etwas wie Objektivität, Neutralität oder Distanz beispielsweise beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen überhaupt geben könnte – und die daraus resultierende Annäherung von Kunst und Wissenschaften wie etwa der Ethnologie.

Daher spielt Mariana Castillo Deball nicht nur auf Modi des Sehens, sondern auch auf die Rolle der Imagination in der Geschichtserzählung an, wenn sie in ihrer Ausstellung »Parergon« (altgriechisch: Beiwerk,
Nebenwerk) den Blick auf bewusst oder unbewusst ausgeklammerte Details lenkt, ähnlich der Mikrogeschichtswissenschaft ausgehend von überschaubaren Forschungseinheiten Aussagen über Geschichte in größeren Zusammenhängen ermöglicht und den Blick für neue Bedeutungsgefüge öffnet. Umgekehrt verweist das Gefüge ihrer Ausstellungsinstallation darauf, dass hier Geschichte und Geschichten erzählt werden.

Anna Catharina Gebbers