vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 89

Portraits

Jordan Wolfson | Marina Steinacker & Katharina Willand | Julia Lazarus | Markus Schinwald

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Sonja Rentsch

Ausstellungen

»Farbe im Fluss«

Künstlerbeilage

Stefan Panhans

Interview

Textauszug

Hans-Jürgen Hafner
J.Krb.: Das Berufsbild des Kurators ist nirgendwo eindeutig fixiert. Derzeit stehen Marketingerfahrung, betriebswirtschaftliche Kenntnisse hoch im Kurs. Ist die Leidenschaft für Kunst eher hinderlich für die Karriere?

H.J.H.: Das Wort Kurator ist zu konjunkturanfällig, als dass ich es sinnvoll füllen könnte. Wenn Betriebswirtschaft oder Marketingkompetenzen zum Kurator qualifizieren, weiß ich aber auch, warum ich diese Berufsbezeichnung für mich selber immer abgelehnt habe und stattdessen lieber vom Ausstellungsmacher sprach. Apropos Konjunktur: Wie zuletzt um jeden Preis sämtliche Daseinsbereiche und damit auch die Kunst und ihren Betrieb professionell und ökonomisch rentabel zu machen, ist nichts anderes als Zeitgeist. Zwar wird es natürlich dauern, bis sich das bis in die letzte Amtsstube herumgesprochen haben wird – wenn wir uns zurzeit allerdings die Welt im Großen anschauen, scheint Ökonomie jedoch als Leitideologie gerade abzuschmieren. Was mich betrifft, kann ich über Karriere wenig sagen, außer dass ich jede Funktion, ob als freier Kunstkritiker oder fest bestallter Kunstvereinsleiter, bisher mit ziemlicher Leidenschaft ausgefüllt habe.



J.Krb.: Das klassische Operationsfeld der Kunstvereine hat sich ausgedünnt, sie haben längst ihre exklusive Rolle in der Vermittlung zeitgenössischer Kunst verloren. Wie definierst Du die Rolle und Aufgabe der Kunstvereine heute?

H.J.H.: Kunstvereine waren nie nur Vermittler, sie waren auch im 19. Jahrhundert immer schon Ermöglicher und Produzenten zeitgenössischer Kunst. Kunstvereine generell profitieren von einem historischen Narrativ, wo gesellschaftlich-politische Verhältnisse, die daraus erwachsende Verfasstheit als Institution sowie die in Relation dazu sich formulierenden ästhetischen und intellektuellen Praktiken zu Buche schlagen. Daraus ergaben sich ihre Kontinuität wie ihre Wandlungsfähigkeit als Institution. Vor diesem Hintergrund arbeiten wir zu den heutigen Bedingungen weiter und zielen damit auf die Zukunft. In dem Sinne spreche ich also in erster Linie ganz vehement für Produktion. Doch wir vermitteln natürlich auch, was wir da machen: zuallererst unseren Mitgliedern gegenüber. Als konkrete wie symbolische Basis ermöglichen sie uns schließlich diese bis heute sehr spezielle Rolle. Kunstvereine adressieren zuallererst eine sehr konkrete (Teil-)Öffentlichkeit, eine, die sich explizit über Kunst definieren will. Und das unterscheidet sie von Institutionen, die mit jener abstrakten Konstruktion von Öffentlichkeit operieren müssen, die bevorzugt ja im populistischen Argument oder bei Marketingkampagnen Verwendung findet.

J.Krb.: Setzen die Kunstverein auf junge, noch nicht durchgesetzte Positionen, dann ist die öffentliche Aufmerksamkeit im allgemeinen gering und möglicherweise die Kritik wohlgesonnen, setzen die Kunstvereine auf bereits international durchgesetzte Positionen, dann ist ihnen Medienresonanz gewiss, aber sie entfernen sich von ihrer ursprünglichen Aufgabe. Wie gehst Du mit diesem Widerspruch um, willst Du mit Deinen Ausstellungen eine breite Öffentlichkeit erreichen oder bevorzugst Du die Konstellation klein aber fein? Für wen machst Du Ausstellungen?

H.J.H.: Gute Kritik – da bin ich mir als altgedienter Kunstkritiker ja doch einigermaßen sicher – wird ihren Gegenstand abseits statistischer Argumente oder sonstiger Folklore zu finden in der Lage sein. Was die so genannte Öffentlichkeit betrifft, adressiere ich nicht eine absolute, abstrakte Größe, sondern mache ich ein präzises Angebot an ganz viele und sehr unterschiedliche – um nicht zu sagen individuelle – Menschen. Das ist doch erst, was die Öffentlichkeit in Wirklichkeit ausmacht – Unterschiedlichkeit. Nicht dieses ‚Öffentlichkeit-als-fixe-Größe’ der Marketingabteilungen und sonstiger Agitatoren. In diesem Sinne mache ich Ausstellungen. Und was sich dann als Ausstellung zeigt, muss Öffentlichkeit ja ganz unterschiedlich erreichen: schnell oder langsam, gut oder schlecht, mit einigem oder ohne jeden weiteren Effekt. Zum Glück sind wir in einem historischen Kontinuum, in dem sich Öffentlichkeit und Kunst immer noch zueinander und aneinander ausmitteln. Das war vor 1800 anders. Und es liegt heute in unserer Hand, ob sich dieser einesteils ziemlich arbeitsaufwändige aber andererseits für die Kunst wie uns selber relativ ideale, weil produktiv zu machende Zustand ändern wird. Wenn man durchs Chelsea oder meinetwegen das halbe Dutzend Berliner Super-Hip-Galerien geht, dann sieht es eher danach aus als wäre diese Schlacht schon verloren... dann fast lieber Zuccotti Park. Deswegen spielt Ethik genauso wie die jeweils eigene Taktung schon eine nicht zu unterschätzende Rolle.


Konstantin Adamopoulos