Interview

Dr. Thomas Deecke, Direktor Neues Museum Weserburg

Textauszug

Thomas Deecke
Meine Kritik an Ihrem Konzept ist die, dass der Stellenwert von Wechselausstellungen sowie das statische Moment, das jedem Museum inhärent ist, unterschätzt wurden. Heute ist kaum ein Museum vom Bestand her so attraktiv, um ausschließlich über Jahre hinaus hiervon zu zehren.

Sie haben völlig Recht, das ist die Zwickmühle, in der jedes Museum steckt. Seit den 60er Jahren hatten wir einen Boom von Ausstellungen. Angeregt von den Kunstvereinen, haben sich die Museen sehr schnell in diesen Boom hineinbegeben. Diese Entwicklung führte zu einem Ergebnis, das ich als Besucher eines Museums permanent Wechselausstellungen sehe, aber das Museum nicht mehr. Die Museumsräume sind leergeräumt, weil irgendeine Wechselausstellung stattfindet. Ich halte diese Überaktivitäten im Ausstellungswesen weder gut für die Kunst noch gut für das Publikum, weil es von Sensation zu Sensation hüpft und nichts mehr vertieft. Ich halte dagegen: \"ein Museum ist ein Museum, ist ein Museum, ist ein Museum\", und es sollte, wenn überhaupt, nur vorsichtig verändert werden. Aber natürlich sind Wechselausstellungen notwendig, die wir so anlegen, dass sie mit dem Haus etwas zu tun haben und wieder zurückweisen auf das, was in diesem Haus passiert. So habe ich auch die Richard Long-Ausstellung über das gesamte Haus verteilt. Eine Ausstellung muß immer in das Museum hineinwirken und nicht nur als Extra-Bonbon neben ständigen Sammlungen herlaufen. Selbst ein Museum für zeitgenössische Kunst hat eher die Aufgabe einer Konsolidierung dessen, was in der zeitgenössischen Kunst passiert, als einer Zurdiskussionsstellung und kann nur in Ausnahmefällen Ort der Diskussion um das Allerneueste sein...

...Landauf wie landab erheben Politiker die Forderung, Museen seollten sich zusehends selbst finanzieren und rufen nach dem amerikanischen Modell. In den Staaten ist die Leitung der Museen häufig mit Managern und nicht mit Kunsthistorikern besetzt, wobei die Finanzierung der Museen privat erfolgt. Es ist fast wie in der Bundesliga, dort gibt es eine klare Trennung zwischen Management und sportlichem Leiter, zumindest bei Werder Bremen. Sehen Sie in diesen Konzeptionen Zukunftsmodelle?

In keinster Weise halte ich das amerikanische Modell für übertragbar. In Amerika gibt es cirka drei Opernhäuser und vielleicht 60 Museen, in Deutschland hingegen 50 Opernhäuser und allein 400 Museen. In Amerika konzentrieren sich die zeitgenössischen Museen auf vier, fünf oder sechs Zentren, hingegen finden wir in dem riesigen flachen Land so gut wie keine Museen. Hier ist doch die Situation eine völlig andere, der Staat hat aus traditionellen Gründen die Verpflichtung übernommen, Kultur zu erhalten und zu fördern. Dieses System sollten wir auch in schlechten Zeiten nicht aufgeben...

Joachim Kreibohm