Artist Ausgabe Nr. 39

Polemik

Textauszug

»Von Kunst nach Lebern und zurück«
... Kontext- und Konzeptkunst finden wir dröge, …l auf Leinwand ist eigentlich auch langweilig. Da gibt es endlich genau das richtige für uns. Statt kopflastiger "Interven- tionen" in soziale Kontexte finden sich allerorten sinnliche und grenzensprengende "Crossover" - zwischen Kunst, Pop und fast allem, was sonst das Herz begehrt. ...

...Kunst, die ins Leben drängt, muß sich gegen das Leben behaupten. Daß sie dabei schwach aussehen kann, ist keine neue Entdeckung....

...Doch die Kunst gibt nicht auf. Besonders seit den 60er Jahren häufen sich die Versuche, die relative Schwäche der Nachahmung zu überwinden. Happenings und Performances wollen tatsächliche Ereignisse statt Kunstwerke schaffen; die Wiener Aktionisten bearbeiteten statt Leinwand oder Marmorblock direkt den menschlichen Körper. ...

...Die obsessive Selbstinszenierung und der Sammeltrieb scheinen an die Stelle gesellschaftlicher Kollektivutopien getreten. Auch wenn die sich nicht eingelöst haben, ist die Rhetorik avantgardistischer Künstlergruppen genau dorthin gewandert, wovon sie sich einst bewußt absetzte: in das kapitalistische Berufsleben. "Kreativ" sind längst nicht mehr Künstler, sondern Werbeleute, die in "Teams" arbeiten. "Individuell" heißt "flexibel" und ist zu einem der wirksamsten Anpassungsinstrumente der Arbeitswelt geworden. ...

Ludwig Seyfarth