Artist Ausgabe Nr. 124

Portraits

Frauke Dannert | Simon Modersohn | Franziska Keller | Jonathan Monk

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Regina Marie Möller

Portrait

Restaurant Drawing (MD E et G on all floors), 2020, Courtesy the artist

Textauszug

Jonathan Monk
Saluti: Jonathan Monk geht in eine Bar, eine Gaststätte oder ein Restaurant. Allein oder gemeinsam mit Freunden bzw. Kollegen wird ein Drink bestellt, sich unterhalten, Fußball geschaut und z. B. mit der Familie gespeist und getrunken. Am Ende des Besuchs kommt die Rechnung, der Künstler bezahlt und nimmt die Rechnung mit nach Hause – nicht um sie steuerlich abzusetzen, sondern um sie »künstlerisch zu veredeln«. Zu Hause zeichnet Monk ein Miniatur-Replikat auf diese meist kleineren Papiere, ein Werk jeweils von Künstler*innen, deren Ästhetik er schätzt. Und die schon seit Beginn seiner Karriere Anfang der 1990er Jahre immer wieder Anlass waren, in seiner konzeptionellen Kunstarbeit reflektiert zu werden. Im stark verkleinerten Maßstab mit der Hand reproduzierte Zeichnungen, Skulpturen, Fotos, Gemälde oder Textarbeiten z. B. von Louise Lawler sind hier zu sehen, von Chris Burden und Richard Prince, von Cady Noland, Barbara Kruger, Marcel Duchamp und vielen anderen. Seit 2015 bereits werden diese »Restaurant Drawings« von Monk, und dies ist ein wesentlicher Teil dieser bis heute »ongoing«-Werkserie, von dem Künstler auf Instagram gestellt: auf seine eigene Seite »monkpictures«. Von dieser virtuellen Plattform aus werden sie dann verkauft: Sie werden an den Ersten, der auf Monks Instagram-Eintrag reagiert, verkauft zu genau der Rechnungssumme, die auf dem jeweiligen »Restaurant Drawing« zu lesen ist. Man kann also, ist man schnell genug, ein Kunstwerk für wenige Euro erstehen – wenn der Künstler lediglich schnell einen Espresso getrunken hat – Preise in dreistelliger Höhe – nach einem Besuch in einem teuren Restaurant – kommen dagegen eher seltener vor.

Holidays in The Sun« (Sex Pistols): Seit 1992 malt Monk seine »Holiday Paintings«. Es handelt sich bei diesen Papierarbeiten um von ihm abgemalte Werbetafeln und -plakate, auf denen Reisebüros sogenannte »Schnäppchen«, also besonders günstige Urlaubsreisen, oftmals »last minute-Angebote«, in schlichten Textcollagen anpreisen. »Malta 25 June 7 + 14 Nights Flight only £ 119« etwa ist da zu lesen. Diese Arbeiten kosteten damals – heute sind sie wesentlich teurer – exakt das, was auch die jeweils beworbene Reise gekostet hätte und waren so als Kunstwaren ebenfalls ein »Schnäppchen«. Die Parallelen zu Monks »Restaurant Drawings« sind offensichtlich und bereits des öfteren beschrieben worden. Signifikant aber sind auch die Differenzen zwischen diesen beiden Werkgruppen: Während die »Holiday Paintings « auch dank ihres niedrigen Preises einem jungen Künstler den Weg in den Kunstmarkt erst geebnet haben, machen die in fast schon inflationärer Stückzahl produzierten – bisher sind gut 700 Exponate verkauft – ebenfalls überaus günstigen »Restaurant Drawings« ein Stück weit die Preise des inzwischen international renommierten Künstlers kaputt. Dabei hebeln sie die Mechanismen des Kunstmarktes und seiner Player wie Galerien und Auktionshäuser für einen Moment lang aus. Dass Monk dennoch weiter erfolgreich mit seinen Galerien zusammenarbeitet, zeigt nicht zuletzt, dass solch eine Betriebssystemkritik längst »hoffähig«geworden ist und die ökonomische Basis der Galerien nicht tatsächlich beeinträchtigt. Erschwingliche »Kunst für alle«, durchaus im Sinne des legendären Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann, steht also bei den »Restaurant Drawings« zur Disposition. Diese wird vom Künstler so mühelos wie konsequent auf dem gleichsam basisdemokratischen, überaus populären und leicht einzurichtenden Vertriebsweg Instagram »unter die Leute gebracht«. Auch inhaltliche Differenzen treten bei dieser Arbeitsgruppe auf den ästhetischen Masterplan, die ebenfalls das Betriebssystem Kunst und seine ökonomische Ausrichtung auf unterschiedliche Art und Weise hinterfragen. So setzen die »Holiday Paintings« gewissermaßen Urlaub und Kunst gleich – bei der »heiligen Zeit« des Urlaubs gelten die Bedingungen der auf Verwertbarkeit modulierten Arbeit ebenso wenig wie bei der scheinbar durch »interesseloses Wohlgefallen« (Kant) charakterisierten Kunst. Anders die »Restaurant Drawings«, die die Welt der Kunst mit der Welt des genüsslichen Konsums parallel schalten und so eine durchaus profunde, gleichzeitig charmant-beiläufige Kritik an der postmodern-neoliberalen Kommodifizierung der Kunst (sich) leisten. Strafverschärfend ist der hier inhaltlich ins Spiel gebrachte Konsum einer, der als »passiver« den Konsumenten zum bloßen, mehr oder weniger profitablen Verbraucher degradiert: Essen gehen statt selber Kochen.

Original-Kopie: Als »Original-Kopie« werden Arbeiten von Richard Prince zuweilen von Kunsthistorikern bezeichnet und der TVSender MTV benennt mit diesem Begriff bekanntlich die jeweils erste Coverversion eines Songs. Der Begriff »Original-Kopie« beschreibt auch die »Restaurant Drawings« nicht schlecht, denn einerseits kopiert Monk hier von ihm ausgewählte Kunstwerke, andererseits tut er dieses mit der eigenen Hand, jede Kopie ist also ein Unikat, ein (sogar signiertes) Original. Spannend bei diesen Appropriationen von Monk ist u. a. der Aspekt der Autorenschaft, die sich schnell als eine überaus multiple erweist: Da ist der Künstler, etwa Sol LeWitt, der das angeeignete Werk einst geschaffen hat, da ist der Künstler Monk, der sich dieses Werk aneignet und auf die Restaurantrechnungen zeichnet, und da ist der Kellner, der handschriftlich die Rechnung ausfüllt bzw. der Drucker, der dieses für ihn macht. Und oftmals kommt noch der Grafikdesigner hinzu, der die jeweilige Rechnung mit dem Corporate Design des Restaurants gestaltet hat. Gewissermaßen zählen sogar die vom Künstler »Mitbewirteten« zu dem Autorenkreis. Monk ist also nur ein Autor unter vielen, nimmt aber als derjenige, der die »Restaurant Drawings« konzipiert und letztlich ausführt, die Rolle eines »primus inter pares« ein. Eine Rolle also hat sich der Künstler, der hier auf jedwede »eigene« Bildideen verzichtet, zugeteilt, die, wie schon seine oben ausgeführte Parallelschaltung von Essen und Kunst sowie seine von mir beschriebene Strategie der Maßstabsveränderung, eine dezidiert systemkritische Funktion hat. Nicht mehr ein heroisch schaffender Genius ist da (auf Instagram) aktiv, sondern ein »postheroischer« Bildbearbeiter, dessen Tätigkeit sich vor allem in der koordinierenden »Verarbeitung von Symbolen, Daten, Wörtern, Bildern, Klängen«, also als »symbolische Dienstleistung« (Dirk Baecker) ausdrückt. Übrigens: Die Arbeit von Monk wird sich inzwischen ebenfalls angeeignet, und zwar von dem New Yorker Künstler Eric Doeringer, der über seine künstlerische Arbeit selbst schreibt: »Good artists copy, great artists steal.«

Raimar Stange