Artist Ausgabe Nr. 118

Portraits

Beatriz González | Cady Noland | Katja Stuke und Oliver Sieber | Hella Gerlach

Interview

Regina Barunke

Page

FORT »Symptoms of the Universe«

Edition

Gunter Reski

Portrait

Stuke/Sieber, aus »Japanese Lesson, Walking Meditation #2«, Higashi Sumida, Tokyo April 14, 2017, 2 – 5:30 p. m.

Textauszug

Katja Stuke und Oliver Sieber
Seit 1999 arbeiten die beiden Fotokünstler Katja Stuke (geb. 1968) und Oliver Sieber (geb. 1966) unter verschiedenen Autorschaften und Projekten zusammen. Dazu gehören Magazine wie »Böhm« und »Ant!Foto« oder virtuelle Ausstellungsräume wie das ehemalige Böhm Handelszentrum, zu denen sie regelmäßig FotografInnen und VideokünstlerInnen einluden. Unter dem Titel »Innere Sicherheit / The State I Am In« kuratierten sie für das Photoszene-Festival in Köln 2016. In den letzten Jahren hatte das Künstlerduo, das zu einer festen Größe innerhalb der deutschen Fotoszene geworden ist, zunehmend Gelegenheit, ihr erweitertes Verständnis von Fotografie international zu hinterfragen und zu beleuchten. Dass beide in Düsseldorf leben, ist hierbei sowohl von Vorteil, als auch von Nachteil, wird aktuelle Fotografie aus der NRW-Landeshauptstadt immer noch in weiten Teilen unter dem Label der »Becher-Schule« beworben. Beide studierten übrigens Visuelle Kommunikation an der FH in Düsseldorf.

Für ihre Arbeit nutzen Stuke/Sieber die ganze Bandbreite fotografischer Techniken und Präsentationsformen, so als Installation, Serie, Fotofilm, Einzelbild oder Internetblog. All das immer wieder gebündelt und neu geordnet in selbstgefertigten, aufwendigen und hochwertigen Fotobüchern in kleinen Auflagen – distribuiert im Selbstverlag –, die u. a. auf Messen wie der Paris Photo für erhöhte Aufmerksamkeit sorgen.

Für die Portraitserie »Imaginary Clubs«, zu der 2014 ein umfangreiches Fotobuch entstanden war, hatte Sieber weltweit in Clubs, auf Partys und Konzerten ungewöhnliche Menschen aufgespürt. Was zu dem plötzlichen und nachträglichen Ausstellungsverbot der Werke führte, bleibt offen. Bilder sind immer wichtige Mittel der Propaganda, aber auch des Protestes. Die Kontrolle über ihre Distribution ist mittlerweile wichtiger geworden als die über ihre Produktion. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Behörden ebenso Raumaufnahmen aus der Ausstellung »Nothing to my name« in Osaka kannten, in der damals Bilder des »Imaginary Clubs« mit Bildern aus der Serie »Nationalfeiertag« von Katja Stuke zu sehen waren. Diese zeigen u. a. Szenen von den Demonstrationen auf dem Tiananmen-Platz 1989; ein toxisches Thema für die chinesische Zensur; kommentierten die Künstler in einem Gespräch. Tatsächlich gibt es einen vorhandenen und übermittelten Screenshot, der bei dem nächtlichen Rundgang der Zensoren auf einem der Handys derselben zu sehen war. Er zeigt eine Installationsansicht der Arbeit »Nationalfeiertag«.

Japanese Lesson« ist auch der Titel der aktuellen Ausstellung des Künstlerduos Katja Stuke und Oliver Sieber im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Doch werden hier keine Lektionen erteilt. Vielmehr nutzen die Künstler die umfangreiche Japan-Sammlung des Hauses als weiteres Erkundungsgebiet im Austausch mit eigenen fotografischen Japan-Recherchen. Auf Einladung der Kuratorin des Hauses, Esther Ruelfs, entstand ein dialogischer Parcours aus rund 40 historischen Fotografien und Farbholzschnitten aus der Sammlung des MKG sowie einer Gruppe von zwölf Arbeiten und ausgewählten Künstlerbüchern aus ihrem gleichnamigen Werkkomplex. Neben den Arbeiten von Katja Stuke und Oliver Sieber zeigt die Ausstellung Fotografien von Enari Tsuneo, Hosoe Eik?, Ishiuchi Miyako, Kurita Kaku, Kuwabara Kineo, Robert Lebeck, Narahara Ikk?, Takanashi Yutaka, Tamamura Kihei und unbekannten Fotografen aus der Meji-Zeit.

Seit 2005 reisen Stuke/Sieber regelmäßig nach Japan und haben sich mittlerweile nicht nur in der rheinländischen Landeshauptstadt mit der größten japanischen Community Europas und einem jährlichen Japanfest einen Namen als ausgewiesene Kenner des Landes gemacht. Dabei galt ihr erstes Interesse zunächst gar nicht der japanischen Fotoszene, sondern der Auseinandersetzung mit einer stark an westlicher und revoltierender Jugendkultur angelehnten Szene, der man selber eng verbunden war. Japan erschien wie ein riesiges Archiv für Pop-Kultur. Überall gab es noch Schallplatten aus den 1950er Jahren, Jazzcafés, Punkkonzerte, ausgewiesene Kinoprogramme und zahlreiche Bücher und Ausstellungskataloge zur westlichen Kultur. Hingegen kommt bis heute nur ein kleiner Teil der immensen Bilderproduktion des Ostens im Westen an, zumal die meisten Publikationen nur komplett auf Japanisch erscheinen.

Sabine Maria Schmidt