Artist Ausgabe Nr. 82

Portraits

Cyprien Gaillard | Julian Rosefeldt | Friedrich Kunath | Jack Goldstein

Interview

Ulrike Groos

Page

Christine Streuli

Künstlerbeilage

Sabina Baumann

Edition

Frank Gerritz

Portrait

Ausstellungsansicht Kunstverein Hannover 2009, Foto: Raimund Zakowski

Textauszug

Friedrich Kunath
Gemessen an Friedrich Kunath ist Heinrich Heine ein kalter Hund. Schreibt er in einem seiner Gedichte: »Das Fräulein stand am Strande und seufzte lang und bang, es rührte sie so sehre der Sonnenuntergang«, und lässt er dann den Dichter, also sich selbst, kommentieren: »Mein Fräulein, sein Sie munter, das ist ein altes Stück; hier vorne geht sie unter, und kehrt von hinten zurück«, dann killt er das romantische Gefühl durch die Einführung eines nüchternen Realitätsprinzips - wie Heines Lyrik ja überhaupt die Bruchstelle zwischen Romantik und Realismus markiert. Bei Kunath dagegen ist in all seinen Stücken immer beides zugleich da: Romantik und Realismus, Sonnenuntergang und Naturgesetz, Verstand und Gefühl, Lachen und Weinen. Das macht seine Kunst oft genug so paradox und zugleich so herzzerreißend schön. Eines der am Stärksten anrührenden Werke des 1974 in Chemnitz geborenen Künstlers zeigt ein informelles Bild, in das Kunath die Worte geschrieben hat »If you leave me can I come, too?«. Der Text könnte charakteristischer nicht sein für sein Werk. Auf der einen Seite weiß er ganz genau um die Fragilität jeder Liebe, um ihr mögliches Scheitern, und auf der anderen Seite will er das mit kindlichem Trotz nicht wahrhaben. »Wenn Du mich schon verlässt, dann will ich aber auch mitkommen.« Das Bild findet sich zwar nicht in der ersten umfassenden Einzelausstellung des 35jährigen Künstlers in Deutschland, die der Kunstverein Hannover augenblicklich zeigt, sonst sind allerdings sehr viele ältere und auch neue, speziell für diese Schau geschaffene Werke zu besichtigen. Friedrich Kunath, der seit einigen Jahren in Los Angeles lebt und arbeitet, scheint in den USA, wo ihm u. a. das renommierte Aspen Art Museum vor einem Jahr eine große Einzelausstellung ausgerichtet hat, inzwischen bekannter zu sein als hierzulande. Ein bedauerlicher Mangel, der nach der hannoverschen Ausstellung hoffentlich behoben sein wird.

Michael Stoeber