Portrait

Not all mummies are wrapped like in the movies, 2016, Foto: Helge Mundt

Textauszug

Gerrit Frohne-Brinkmann
Bereits während seines Studiums machte Gerrit Frohne-Brinkmann immer wieder durch mal spektakuläre, mal ganz subtile Performances auf sich aufmerksam. So trat er 2015 während der Jahresausstellung der HFBK vor das versammelte Publikum. Er setzte gerade zu einem Vortrag an, als ihm seine Professorin Ceal Floyer plötzlich und ohne jede Vorwarnung von hinten eine Flasche über den Kopf schlug. Der Kunststudent fiel theatralisch zu Boden und blieb dort erst einmal zehn Sekunden lang liegen. Der verblüffende Show-Effekt war gelungen. Doch »Stunt« (2015), so der Titel der Arbeit, war weit mehr als bloß ein Aufsehen erregender Slapstick-Akt mit einer täuschend echt wirkenden Flasche aus Stuntglas. Frohne-Brinkmann ging es durchaus auch darum, das ambivalente Verhältnis zwischen Professorin und Student, Lehrender und Lernendem prägnant auf den Punkt zu bringen. Insofern stellt die Arbeit auch eine ebenso humorvolle wie kritisch unterfütterte Untersuchung der institutionellen Rahmenbedingungen einer Kunsthochschule dar.

Oder aber der Umgang mit Nachbildungen von Mumien. Für die Bespielung seiner Förderkoje auf der Art Cologne im April 2016 lieh sich Gerrit Frohne-Brinkmann aus dem Fundus von Filmrequisiteuren eine Reihe von mehr oder minder gelungenen Mumienattrappen aus und präsentierte diese, einer Aufführung gleich, sitzend, liegend und kauernd in der ansonsten leeren, 25 Quadratmeter großen Messekoje. Eine temporäre Zusammenkunft an der Schnittstelle von Archäologie, Wunderkammer, Horrorfilm und Trashkultur. Die aus dem Dunkel der Geschichte stammenden Mumien wurden so einerseits zu Kunstwerken erhoben, andererseits aber auch in ihrer prekären, nahezu Mitleid erregenden Präsenz vorgeführt. Ein weiteres Moment kam hinzu: Nach Ablauf der Messe wanderten die Objekte wieder in den Fundus zurück. Ein möglicher Käufer der Arbeit mit dem Titel »Not all mummies are wrapped like in the movies«, erwirbt daher nicht die Mumien selbst, sondern lediglich das Recht, genau diese oder auch andere Mumien wiederum auszuleihen und an einem neuen Ort zur Aufführung zu bringen. Gerrit Frohne-Brinkmann hat es auf der Art Cologne gewagt, in einer Messesektion, die unter dem programmatischen Titel »New Positions« mit dem (eigentlich unerfüllbaren) Anspruch antritt, das »Neueste vom Neuen« zu präsentieren, sozusagen das »Abgewetzteste vom Abgewetzten« einzuschleusen. Die Jury hat dieses Konzept, das auch die herkömmlichen Mechanismen des Kunstmarkts clever in Frage stellt, überzeugt.

Häufig nimmt Gerrit Frohne-Brinkmann die Konzeptkunst der 1960er und 1970er Jahre zum Referenz- und Ausgangspunkt für seine eigenen Arbeiten. Dabei knüpft er immer wieder an geschichtliche Komponenten an, aber auch an Performance-Elemente und Aspekte der Pop- und Unterhaltungskultur. »Die Trennlinie zwischen Kunst und Leben sollte so fließend und vielleicht auch so undeutlich wie möglich gehalten werden«, schrieb Allan Kaprow Anfang der 1960er Jahre in seinem manifestartigen Text »Assemblage, Environment & Happening«. An einer anderen Stelle betont er »Ich habe jene Aspekte der Kunst für wichtig gehalten, die bewusst beabsichtigen, Gewöhnung durch Forschergeist und Experimentierfreude zu ersetzen.« Genau das sind künstlerische Antriebsfedern, die auch das Werk von Frohne-Brinkmann auszeichnen.

Ob auf dem Boden liegende Einräder, die mit künstlichen Spinnennetzen überzogen sind, aus den USA importierte Tumbleweeds, aus Western bekannte Gestrüppkugeln also, in denen, Objekten der Begierde gleich, gültige Eintrittskarten für Sport- und Kulturevents stecken, oder Fingerabdrücke ausschließlich von den weißen Tasten eines Pianos, die in der Manier eines Hobbykriminologen abgenommen wurden: In den vielfältigen Arbeiten Gerrit Frohne-Brinkmanns mischen sich Alltagsereignisse mit funktionalen und dysfunktionalen Gesten, Unterhaltungskultur trifft auf die Erforschung des Besonderen, das sich zunächst nur dem Blick des Künstlers offenbart. High trifft auf Low. Ausgedachtes auf in der Absurdität des Alltags Entdecktes. Viele der Arbeiten Gerrit Frohne-Brinkmanns bedienen sich dabei des Repertoires der Zauberei. Insofern stellen sie den Idealen der Aufklärung verhaftete, rationale Welterklärungsmodelle spielerisch in Frage, ohne jedoch ins Esoterische abzudriften. »Die Zauberei findet im Kopf statt«, sagt Gerrit Frohne-Brinkmann, »letztlich ist es konzeptuelle Kunst.«

Nicole Büsing / Heiko Klaas